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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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flossen beim Vorbeirasen zu grünlichbraunen flatternden Streifen zusammen. Soltyk bediente ununterbrochen die Hebel, schaltete die Motoren ein und verstärkte dann wieder die Bremswirkung, bis die Geschwindigkeit auf die Mindestgrenze gesunken war und die Rakete nur noch ungefähr dreihundert Meter in der Sekunde zurücklegte.
    Wir überflogen eine weite Ebene, die von dichtem Wald bedeckt zu sein schien. Weitausladende Baumkronen oder auch irgendwelche phantastische Gewächse, riesige Büsche, Kahlschläge, Dickicht – es huschte leider zu schnell vorbei, um Einzelheiten mit dem Blick festhalten zu können. Als sich das Raumschiff bis auf viertausend Meter hinuntergesenkt hatte, erfaßten mich Zweifel, ob diese eigenartigen Gebilde überhaupt Gewächse seien. Doch bevor ich sie genauer betrachten konnte, waren sie bereits wieder verschwunden. Flache, sanft abfallende Hügelketten zeigten sich. Da und dort reichten die Wolken nicht bis zur Oberfläche des Planeten hinab. In einer dieser Lücken inmitten des träge dahinziehenden Dunstmeeres stand unbeweglich, von schwarzen Wänden verdunkelt, ein blauer Fleck. Es war ein Berggipfel.
    Der Boden stieg an. Der Zeiger des Höhenmessers pendelte auf siebentausend Meter. Unter uns zogen weite, geschwungene Berghänge vorüber, manchmal gleißte das Licht, als ob es von einer Eisfläche zurückgeworfen würde. Dann versank das gigantische Panorama von aufgetürmten Felsen und tiefen Tälern in Nebel. Die Rakete gewann wieder an Höhe, neun-, zehn-, elftausend Meter. Das Pfeifen der dünner werdenden Gase schwächte sich ab. Endlich wandte sich Soltyk nach mir um – wortlos; aber ich las aus seinem Blick, daß meine Stunde gekommen war.
    Oswatitsch übernahm die Steuerung. Während die Rakete, in milchige Nebel getaucht, weiterflog, hielten wir unsere Beratung ab. Meine erste und wichtigste Aufgabe war es, die Zusammensetzung der Atmosphäre genau festzustellen. Übereinstimmend mit den früheren Annahmen stellte sich heraus, daß ihre Ausdehnung mehr als doppelt so groß war wie die irdische. Der Druck in elftausend Meter Höhe betrug sechshundertneunzig Millibar, also fast so viel wie bei uns in Meereshöhe. Die Wolken hatten nach dem Gutachten unseres Chemikers eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung und Dichte. Sie bildeten mehrere übereinanderliegende Schichten, von denen sich die oberste aus polymerisiertem Formaldehyd und Teilchen einer rätselhaften Substanz zusammensetzte, deren genaue Untersuchung auf später verschoben wurde. Die niedrigeren Schichten enthielten außer Formalin eine unbedeutende Menge Wasser. In der Atmosphäre waren fünf Prozent Sauerstoff und neunundzwanzig Prozent Kohlensäure nachweisbar. Mit Bedauern gab ich meine stille Hoffnung auf, daß sich die Annahme der Wissenschaftler als irrig erweisen und es möglich sein werde, sich ohne Skaphander und Sauerstoffgerät auf der Oberfläche der Venus zu bewegen. Bei dem Flug durch das dichte Gewölk war es unmöglich, die Bodengestaltung zu erforschen. Und das Manövrieren der Rakete in einer noch geringeren Höhe bedeutete ein Risiko. Wir beschlossen daher zu landen. Auf der Strecke von rund siebentausend Kilometern, die wir bereits überflogen hatten, waren keine Anzeichen einer Tätigkeit vernunftbegabter Wesen zu erkennen. Doch wir waren fest überzeugt, daß sie auf dem Planeten existierten. Nach der Landung würden wir unsere Entdeckungsarbeit beginnen, zunächst allerdingsin einem beschränkten Umkreis und mit größter Vorsicht. Ein Venustag entsprach in dieser Gegend sechs Erdentagen, so daß uns genügend Zeit zur Verfügung stand. Oswatitsch steuerte wieder die Niederung an, die wir vorher bemerkt hatten.
    Der Boden mußte gründlich untersucht und ein möglichst ebener Platz für die Landung gefunden werden. Ich stieg aufs Oberdeck und zog den Skaphander an. Als ich zurückkam, umringten mich die anderen. Ich wollte mich von niemandem verabschieden und begab mich mit Soltyk sofort durch den engen Schacht in die Bugkammer. Dort, auf dem Katapult, ruhte mein Flugzeug, lang, schmal, ein Stahltropfen mit weit nach hinten gebogenen Flügeln. Da die Kabine hermetisch schloß, nahm ich den Helm ab, der das Gesichtsfeld einengte.
    »Sie wissen also Bescheid, nicht wahr?« fragte Soltyk.
    Ich drückte ihm kräftig die Hand, schwang mich auf die Tragfläche und befand mich mit einem Sprung in der Kabine. Den Helm legte ich unter den Sitz, um ihn jederzeit bei der Hand zu haben. Ich knipste

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