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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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man eine gewisse Ordnung bemerken. Nicht weit von meinem Beobachtungspunkt bildete der Rand der Schwelle einen flachen Höcker. Ich stieg hinauf, um einen größeren Raum überblicken zu können. Ungefähr dreihundert Meter von mir entfernt, lag in der Tiefe des Toten Waldes eine ausgedehnte Senke. Die mineralischen Hecken, die sie ringförmig umgaben, waren niedriger und abgerundeter als die anderen. Die Senke selbst schien vollkommen glatt zu sein; ich konnte es aber nicht mit Sicherheit feststellen, da sie teilweise von den Wipfeln verdeckt wurde. Dafür erkannte ich deutlich, daß die toten Bäume immer höher und spitzer verzweigt waren, je weiter mein Blick schweifte.
    Ich beschloß, hinabzusteigen und sie mir aus der Nähe anzusehen. Die Schwelle, mit der die Ebene endete, brach überall senkrecht ab. Etwa vier Meter trennten mich vom Boden des Toten Waldes. Ich zögerte. Genau unter mir wuchsen kristallinische Gebilde auf, die in reinem ruhigem Glanz leuchteten. Die Neugierde war stärker als die Vorsicht. Im letzten Augenblick, als ich mich bereits, an den Händen hängend, die steile Wand hinunterließ, schoß mir der Gedanke durch den Kopf, ob es überhaupt möglich wäre, in den Skaphandern solche Sprünge auszuführen. Ich stieß mich leicht ab und landete in tiefer Kniebeuge auf Händen und Füßen. Ich richtete mich auf und drehte mich mit dem Rücken zur Wand: Vor mir stand der Tote Wald, wie ich diese eigenartige Landschaft nun einmal getauft hatte.
    Er wirkte von hier aus ganz anders als aus der Höhe. Es waren tatsächlich eine Art gläserne Stämme, die sich oben in spitze Seitenäste gabelten. Überall starrten nadelförmige Dornen hervor, die wiederum mit feineren Nadeln – halbBlättern, halb Hörnern – bedeckt waren. Und überall spielten schillernde Regenbogen.
    Bevor ich den Wald betrat, richtete ich den Girokompaß nach einer in der Ferne sichtbaren Vertiefung aus und stellte danach die Richtung fest. Dann drang ich in den Wald ein. Die Füße fanden kaum Halt in der dicken Schicht knackender und knirschender Bruchstücke. Unter den eisenbeschlagenen Schuhen zersplitterten bürstenförmige violette Kristalle. Die Stämme der toten Bäume waren schraubenartig gewunden, wie aus dicken, gläsernen Seilen geflochten. Alle Stämme waren nach rechts gedreht. Ich bemühte mich, die Richtung beizubehalten; aber es war nicht einfach. Alle paar Schritte mußte ich auf den Kompaß blicken. Einige Male blieb ich zwischen Reihen von dicht zusammenrückenden »Hirschgeweihen« stecken und mußte mir einen anderen Weg suchen. Nach vielen Umwegen näherte ich mich allmählich doch meinem Ziel. Die runden, ineinander verschmelzenden Formen tauchten immer häufiger auf, die nadel-, degen- und strahlenförmigen wurden seltener. Überall flimmerten farbensprühende Gebilde: sie erinnerten an gefrorene Springbrunnen, die sich mit ihren armstarken Wasserstrahlen auf den Boden stützten. Als ich mich zwischen ihnen hindurchzwängte, mußte ich zeitweise die Augen schließen vor dem Glitzern, dem jähen Aufstrahlen und Wiederdunkelwerden. Ein flackerndes Brillantfeuerwerk – blau, gelb, violett und karminrot – flammte in diesem Kristalldickicht. Manchmal erlosch, wie mit Asche bestreut, eine gewölbte Fläche, die von weitem wie reines Silber gegleißt hatte. Plötzlich klemmte ich mich in dem engen Durchgang zwischen den Strahlen einer der versteinerten Fontänen fest. Ich riß mich los, und das Hindernis zerbarst mit einem so heftigen Knall, daß ich zusammenschrak und glaubte, der Helm sei geborsten.
    Je weiter ich kam, um so flacher wurden die baumähnlichen Gebilde, neigten sich zur Erde, flochten die nach allen Seiten strebenden Äste ineinander, als drückte sie eine unsichtbare Kraft zu Boden. Schon seit längerer Zeit zuckten rötliche Blitze vor meinen Augen. In der Farbenglut, die von allen Seiten auf mich einströmte, hatte ich es anfangs nicht beachtet, in der Meinung, daß sich das Licht von draußen im Glasfenster des Helmes brach. Doch der rötliche Schein verstärktesich plötzlich, und ich bemerkte, daß er aus dem Innern des Helmes kam. Über dem Radarschirm befand sich eine matte, kleine Kugel, die radioaktive Strahlungen anzeigte. Auf der Erde hatten wir uns mit den Skaphandern in eine Versuchskammer begeben, in deren Mitte ein Gefäß mit radioaktiven Stoffen stand. Wenn man sich näherte, begann in dem matten Kügelchen ein roter Punkt aufzuleuchten und vergrößerte sich im Maße der

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