Die Astronauten
unter dem Glasberg.
Parallel zu diesem Wall ging ich nun weiter. Stellenweise glich er einer erstarrten Woge. Dieser Eindruck wurde durch den wie vom Sturm zerzausten Kamm verstärkt. Den Aufstieg zu dem Wall erschwerte ein Wirrwarr von gläsernen Oktaedern. Die in der Luft hängenden Arme, die sie miteinander verbanden, waren an manchen Stellen abgebrochen und hatten den Boden mit ihren Bruchstücken übersät. Ich trat mit meinem eisenbeschlagenen Schuh gegen eine der großen Blasen – sie zersplitterte. Als ich den einen Fuß in die schartige Höhlung setzte und den anderen nachziehen wollte, zerfiel sie unter der Last meines Körpers zu kleinen Scherben, und ich befand mich unten auf dem Boden. Ich wiederholte das gleiche Manöver an einer anderen Stelle – mit demselben Mißerfolg; diesmal hätten mir die scharfen, spitzen Bruchstücke beinahe die Kombination zerschnitten. Ich verzichtete auf weitere Versuche und bog, wie mir der Kompaß anzeigte, nach Osten ab; denn der durchsichtige Wald beschrieb einen großen Bogen. Plötzlich stand ich vor einer Nische, die fast wie ein Kamin in den Felsen unserer Berge aussah. In ihrer Tiefe funkelten Myriaden von eingeschmolzenen silbernen Kügelchen; es war ein wunderbarer Anblick. Ich näherte mein Gesicht der senkrechten Wand – und erstarrte vor Entsetzen. Ein dunkles Ungeheuer mit spitzem Kopf und weit abstehenden, wie Fledermausflügel geformten Ohren beugte sich mir entgegen. Die untere Körperhälfte verschwamm in einer undurchsichtigen Wolke. Ich prallte zurück und sah nun, daß es mein eigenes verzerrtes Spiegelbild war.
Ich tastete nach Griffen in diesem Durchbruch, der den Eindruck einer gigantischen Gletscherspalte machte. Mit größter Anstrengung, jede Unebenheit ausnutzend, erklomm ich einen Vorsprung. Die Hitze machte sich immer fürchterlicher bemerkbar. Schon längst hatte ich die elektrische Kühlvorrichtung eingeschaltet; aber sie half nicht viel. Ich erhob mich auf die Fußspitzen und suchte mit ausgestreckten Fingern etwas wie einen Griff zu entdecken. Mein Herzschlag wurde unvermitteltstärker, immer lauter pochte es, immer lauter, lauter ... aber das war ja gar nicht mein Herzschlag!
Mit einem Sprung war ich wieder unten. Ich achtete nicht auf die Splitter, die unter meinen Schuhen wegglitten, ich rannte, suchte einen Platz, von dem aus ich den ganzen Himmel überblicken konnte. Hoch über mir leuchtete die milchweiße Wolkenhülle. Aus der Ferne ertönte ein Brausen, kam näher, schwoll an. Zwischen den Wolkenschichten schimmerte wie ein dunkler Fisch eine lange, glatte Spindel hindurch: der »Kosmokrator«!
Ich rief, schrie in das Mikrophon und raste gleichzeitig auf die Ebene, auf das Flugzeug zu! Ich prallte gegen erstarrte Gebilde, daß es schmerzte, fiel auf die Knie, sprang wieder auf, rief von neuem die Rakete an. Das Brausen klang verändert. Der »Kosmokrator« senkte den Bug, legte sich in die Kurve, beschrieb eine enge Spirale und wurde größer. Hinter den Steuerflächen schoß eine Feuersäule, heller als die Wolken, hervor. Ich sprang von einem Stamm zum andern, lief über gläserne Brücken und setzte über leuchtende Grabenbrüche. Das Motorengedröhn steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Donnern, wurde leiser und verstummte. Die Rakete ging bis auf eine gefahrvoll geringe Höhe herab. Ich blickte geradeaus und konnten noch im letzten Augenblick vor einigen Kristallen zur Seite springen, die wie Degen in die Luft ragten. Dann versperrte mir ein Dickicht von gläsernen Adern den Weg. Ich versuchte, es im Sprung zu nehmen, stürzte, rappelte mich wieder auf, der Schweiß rann mir in die Augen, ich wollte in das Mikrophon rufen; mir fehlte der Atem – eine Scherbe rutschte mir unter den Füßen weg, ich verlor das Gleichgewicht und stürzte wieder. Ich riß mich hoch, wollte blindlings auf das nächste Hindernis losstürmen – als dicht an meinen Ohr eine leise, ironische Stimme ertönte: Ruhig ... Pilot!
Es war nicht das Radio, das sich gemeldet hatte, sondern eine innere Stimme, die mich plötzlich stehenbleiben ließ. Hier gab es keinen Weg aus dem Irrgarten. Ich mußte umkehren und begann wieder zu laufen. Als ich hörte, daß das Dröhnen der Motoren ständig schwächer wurde, drehte ich mich um.
Die Rakete verschwamm wie ein Gespenst in den Wolken. Das Brausen der Motoren ging in ein immer leiseres, immerentfernteres Brummen über. Nach einer Weile erreichte mich kein Ton mehr. Nur mein keuchender Atem im Innern
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