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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Annäherung an die Strahlungsquelle wie die Glut eines glimmenden Kohlenstückchens, auf das man bläst. Hier aber glomm diese Alarmvorrichtung nicht, sondern glühte wie ein blutigrotes Auge und erfüllte das Innere des Helmes mit flammender Röte. Ich blieb stehen. Der Glanz war so stark geworden, daß mir das Sehen schwerfiel. Also herrschte hier eine außerordentlich dichte Strahlung. Es war ratsam, diesen gefährlichen Ort schleunigst zu verlassen. Ich senkte den Kopf vor den herabhängenden Stalaktiten und ging einige Schritte seitwärts. Der rote Glanz wurde schwächer. Ich stieg über die Adern der blinkenden Masse, die sich wie Wurzeln am Boden hinwanden, und drang weiter vor. Wieder glühte die Kugel auf. Ich nahm meinen Handindikator, der die Radioaktivität angab, aus der Tasche. Er sah wie eine kleine Pistole aus und besaß eine Leuchtskala an der Stelle, wo sich bei einer gewöhnlichen Pistole der Hahn befindet. Indem ich den Lauf hob, bemerkte ich, daß der Tote Wald keineswegs eine so idyllische Einöde war, wie es von weitem den Anschein gehabt hatte. Der Zeiger tanzte wie irr über die Skala und schlug mit solcher Stärke aus, als wollte er das hemmende Schräubchen zerbrechen.
    Der Schweiß rann mir von der Stirn, mir wurde immer heißer, nicht etwa vor Nervosität – das Thermometer zeigte achtundsechzig Grad Celsius an! Es war wohl besser, ich verzichtete auf den weiteren Weg. Eine Wanderung unter diesen Bedingungen konnte mich teuer zu stehen kommen. Ich wußte zwar, daß die Kombination mit einer Substanz getränkt war, die die Strahlung verschluckte, sie war jedoch viel zu dünn, um gegen Strahlen von solcher Intensität zu schützen. Hierher durfte man sich nur mit einem bedeutend schwereren, mit Kamexblech gepanzerten Spezialanzug wagen. Solche Ausrüstungen hatten wir an Bord des »Kosmokrators«. Als ich daran dachte, fiel mir ein, daß ich den »Kosmokrator«
    wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Mithin konnte ich also ruhig weitergehen. Den Indikator in der ausgestreckten Hand, drehte ich mich um mich selbst und richtete so seinen Lauf nach allen Seiten. Die Strahlung wuchs und verringerte sich sprunghaft. Am stärksten wurde sie, wenn ich den Lauf gegen die bläulichschimmernden glasigen Stämme hielt, die dicker und höher waren als die anderen. Sie standen weit auseinander, so daß ich nur immer zwei von ihnen auf einmal sehen konnte. Ich trat an einen solchen Stamm heran. Er war keineswegs so durchsichtig, wie es mir anfangs vorkam. Diese Täuschung wurde durch die verzerrten Spiegelbilder verursacht, die die blanke Oberfläche zurückwarf. Ich näherte meinen Kopf dem Stamm. Das rote Licht im Helm flammte heftig auf, als wollte mich ein lebendes Wesen vor der Gefahr warnen. Im Innern des Stammes verlief unter einer durchsichtigen Schicht eine schmale zylindrische Röhre von unbestimmter Farbe. Sie erschien je nach der Blickrichtung einmal dunkelrot, einmal silbern, wie eine Luftblase im Wasser.
    So rasch wie möglich verließ ich diese Stelle. Das rote Kügelchen verglomm langsam und schimmerte nur noch dunkelrubinrot. Nun, da ich wußte, was ich zu meiden hatte, schritt ich nach dem festgelegten Azimut weiter und war darauf bedacht, den bläulichen Stämmen in großem Bogen auszuweichen. Bald waren sie aus meinem Gesichtsfeld verschwunden; aber der Indikator, der empfindlicher war als das rote Lämpchen, zeigte an, daß der ganze Boden schwache Strahlungen aussandte. Nicht so sehr die Intensität der Strahlung ist gefährlich, als vielmehr die Zeit, die der Organismus ihr ausgesetzt ist. An der Scheibe des Gerätes war eine Skala in Zeiteinheiten angebracht, auf der ich ablas, daß ich in diesem Gelände höchstens eine halbe Stunde verweilen durfte. Ich beschleunigte daher meine Schritte und stand bald vor einer wallartigen Form von Gebilden, die in nichts dem ähnelten, was ich bis jetzt gesehen hatte.
    Das Mineral war hier zu fingerartigen Auswüchsen, zu steilen Erhebungen zusammengesintert, die mit riesigen Beulen und Blasen bedeckt waren. So ungefähr stelle ich mir Seifenschaum unter einem starken Vergrößerungsglas vor. Besonders eigenartig mutete ein Ameisengewimmel von silbernen Kügelchen an, die in die Masse eingeschmolzen waren – wieein Insektenschwarm von einer Welle flüssigen Bernsteins. Ich versuchte, eine dieser gläsernen Erhebungen zu erklimmen, rutschte aber sofort wieder ab. Für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, im Märchenwald zu sein: der Ritter

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