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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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des Helmes wurde lauter und lauter. Die Kopfhörer schwiegen weiterhin. Ringsum leuchteten die schönsten und klarsten blauen, gelben, goldenen und himbeerfarbenen Kristalle. Es war still geworden, völlig still ...
    Ich ließ mich auf einem flachen Bruchstück nieder und wartete, wartete fünf, zehn, fünfzehn Minuten. Träge und unentwegt in gleicher Richtung zogen die Wolken ihre Bahn. Von dem angestrengten Emporstarren in diese durchdringende Helle füllten sich die Augen mit Tränen. Langsam liefen sie mir über die Wangen; es waren nicht nur unwillkürliche Tränen ...
    Das ist das Ende, dachte ich, und sofort antwortete mir die gleiche Stimme wie vorher: Und wenn es so wäre, was tut es?
    Richtig! – Ich biß die Zähne zusammen und erhob mich. Ehe ich weiterging, blickte ich auf den Kompaß. Bei dem tollen Lauf hatte ich jede Orientierung verloren. Die Radioaktivität war hier etwas geringer als in der Nähe des gläsernen Walles. Im Helm glomm nur ein roter Punkt. Ich stand inmitten hoher, buschiger Kristalle. Einer war zur Seite gestürzt. Auf seiner rauhen, körnigen Oberfläche, fast in der Mitte zwischen den violett bis blutrot schillernden Rändern lag genauso ein silbernes Kügelchen, wie sie im Innern der glasigen Masse eingeschmolzen waren und sah wie ein erbsengroßer, etwas abgeplatteter Tropfen aus. Eigenartigerweise lag es nicht auf dem Bruchstück des kristallinischen Strauches, sondern schwebte, als wäre es aufgehängt, einige Millimeter darüber. Ich näherte mich und blieb wie angewurzelt stehen: Das silbrige Körnchen zitterte! Es wandte mir seine etwas spitz zulaufende Seite zu, an der ein Fünkchen aufblitzte – nein, es war ein haardünnes Drähtchen, das sich hervorschob. Gleichzeitig erklang in meinen Kopfhörern ein abgerissener kurzer Ton. Mit angehaltenem Atem betrachtete ich das kleine Ding. Es saß auf einer kaum sichtbaren Spirale, die sich ausdehnte und zusammenzog. Diese Bewegung wurde immer lebhafter. Ich trat unwillkürlich zurück. Es war, als ob sich dieses Geschöpf auf dem Kristall niederlassen wollte. Ich näherte mich von neuem, und wieder rührte es sich, und wieder erklang in den Hörern ein hoher Ton.
    Also hatten die anderen doch recht, wirbelte es mir durch den Kopf. Ameisen! Metallene Ameisen!
    Ich streckte den Arm aus, um das kleine Wesen in die Hand zu nehmen, ließ ihn aber plötzlich sinken. War das nicht trotz seiner Winzigkeit eines jener Geschöpfe, die vor achtzig Jahren das Weltraumschiff gebaut hatten? Würde es sich nicht zur Wehr setzen – vielleicht mit Hilfe einer tödlichen Strahlung? Ich blickte auf den Indikator; die Radioaktivität blieb die gleiche. Ich ging um das kleine Ding herum, betrachtete es von allen Seiten und bemerkte etwas sehr Sonderbares. Sooft ich den Kopf abwandte, erstarrte es und war regungslos wie ein Tropfen erkaltetes Metall. Blickte ich es aber an, so begann es zu zittern, drehte mir die spitze Seite zu, aus deren Ende sich das Drähtchen hervorschob, und dann vernahm ich in den Kopfhörern jene abgerissenen Töne. Das wiederholte sich jedesmal. Was sollte es bedeuten? Wollte mir das kleine Geschöpf etwas mitteilen? Und die anderen, die in der glasigen Masse erstarrten, waren sie tot? Ich stand völlig ratlos da. Wenn ich in diesem Augenblick wenigstens einen meiner Gefährten zur Seite gehabt hätte! Es brachte mich zur Verzweiflung, daß ich so gar nichts von alledem begriff. Ich nahm mein Taschenmesser heraus und legte es dicht neben das silbrige Tröpfchen. Es schien ihm keinerlei Beachtung zu schenken. Ich wandte den Kopf ab und schielte nur aus den Augenwinkeln hinüber. Es erstarrte. Ich entfernte mich einige Schritte. Es rührte sich nicht. Dann trat ich wieder näher und ließ es dabei nicht aus den Augen. Wieder schob es sein blinkendes Drähtchen vor, die Spirale bewegte sich, und in den Hörern klang das abgerissene Pfeifen. Hol es der Teufel!
    Ich streckte die Hand aus – der Pfeifton verstärkte sich. Trotzdem nahm ich es zwischen die Fingerspitzen. Nichts geschah. Ich hielt es dicht an die Scheibe des Helmes – der Pfeifton wurde höher. Ob das kleine Geschöpf vielleicht auf diese Weise seine Unzufriedenheit äußerte?
    Ich zog eine flache Metallschachtel aus der Tasche, warf es hinein und klappte den Deckel zu. Im Nu hörte das Pfeifen in den Hörern auf. Die Metallwände der Schachtel schirmten die elektromagnetischen Wellen ab; soviel begriff ich. Mit einem Gefühl, als trüge ich eine auf unbekannte

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