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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Flug verlief ohne Zwischenfälle. Die Beibehaltung der Richtung wurde mir durch die Radiosignale der Rakete erleichtert, die mich sofort wieder auf den richtigen Kurs brachten, sobald ich abwich.
    Nach drei Viertelstunden tauchte die hellbraune ausgedehnteEbene am Rande des Toten Waldes auf. Ich landete in der Nähe der Schwelle, an der die Ebene endete. Die beiden Wissenschaftler packten ihre Apparate und die Fulguritladungen zusammen und entfernten sich. Ich blieb allein zurück. –
    Die Arbeiten der letzten Tage waren so sorgfältig und methodisch durchgeführt worden, als befänden wir uns nicht auf einem fremden Planeten, sondern in irgendeinem Winkel unserer Erde. Die rätselhaften Erscheinungen wurden von den Wissenschaftlern mit Stillschweigen übergangen. Keiner äußerte sich zu dem eisernen Ufer und dem merkwürdigen Rohr. Keiner erwähnte auch nur mit einem Wort meine metallenen Ameisen, und ich muß gestehen, daß mich das manchmal ärgerte. Jeder, den ich auszufragen versuchte, antwortete mir, als hätte er sich mit den anderen verabredet: »Das muß man abwarten«, oder: »Darüber läßt sich noch nichts sagen.« Wo blieb denn da die Romantik wissenschaftlicher Arbeit! Kein Wunder, daß ich nun begann, mir meine eigenen Hypothesen aufzubauen. Tagelang spann ich herum: daß sich zum Beispiel das Ufer durch das Aufschlagen eines Eisenmeteors auf den Felsen gebildet habe, daß das Rohr einer der Tunnel sei, durch die sich die metallenen Wesen bewegten. Chandrasekar warf mir alle diese Annahmen, als ich sie ihm mitteilte, im Verlaufe von fünf Minuten über den Haufen.
    »Da sehen Sie, wohin ungenaue induktive Schlußfolgerungen führen können«, sagte er.
    »Freilich, meine Ideen sind nichts wert«, rief ich. »Mir ist die Arbeit hier überhaupt schleierhaft. Wir haben das Rohr entdeckt. Sollte man sich nicht damit befassen? Aber nein, da mußte ich heute den ganzen Tag über Wasserproben aus verschiedenen Tiefen holen. Ich begreife schon gar nichts mehr. Meine Gefährten werden für mich geheimnisvoller als die Venusbewohner!«
    »Ach, also wir sind für Sie ein Rätsel!« Der Mathematiker lächelte, wurde aber plötzlich ernst, ergriff meine Hand und sprach: »Wir sind nur vorsichtig. Nicht ein uns umgebender Wald von Geheimnissen bestimmt unsere Arbeit, sondern etwas viel Wesentlicheres.«
    »Und was ist das?« fragte ich.
    »Die Erde. Denken Sie stets daran, dann werden Sie verstehen,daß wir keine Fehler machen, keine Irrtümer begehen dürfen.«
    Mit diesen Worten hatte mich Chandrasekar besiegt: ich mußte ihm recht geben. Das innere Feuer aber, das mich verzehrte, vermochte auch er nicht zu löschen. Ich zwang mich zur Geduld in der Hoffnung, daß uns noch große Ereignisse bevorstünden. Ich brauchte nicht lange darauf zu warten. –
    Mit Kristallbruchstücken beladen, kehrten Arsenjew und Lao Tsu zum Hubschrauber zurück. Während des Fluges wechselten wir kein Wort. Erst in der Schleusenkammer der Rakete, als sich der Raum mit Sauerstoff gefüllt und der Astronom den schwarzen Helm abgesetzt hatte, sagte er zu mir: »In einer Stunde findet eine Beratung statt. Ich bitte Sie, daran teilzunehmen.«
    Auf dem Tisch der Gemeinschaftskabine lagen fotografische und gezeichnete Karten, Filmstreifen, Mineralproben und radioaktive Stoffe, die in Bleikassetten eingeschlossen waren. Nur die Metallinsekten fehlten; Arsenjew und Lao Tsu hatten keine finden können.
    »Liebe Freunde«, begann Arsenjew, »in zwei Erdentagen erwarten wir die Dämmerung; dann bricht die Nacht an, unsere erste Nacht auf der Venus. Es empfiehlt sich, daß wir uns während dieser Zeit an Bord der Rakete aufhalten. Andererseits haben wir noch fünfzig Stunden Tag vor uns. Die einleitenden Forschungsarbeiten sind so gut wie abgeschlossen. Ich denke also, daß wir es wagen können, einen weiteren Vorstoß ins Gelände zu unternehmen. Unser Ziel ist, mit den Bewohnern der Venus Verbindung anzuknüpfen. Von allem, was wir bis jetzt entdeckt haben, halte ich das künstliche Gebilde, das sogenannte Rohr, für das wichtigste. Es ist ein metallischer Leiter und stellt, soweit wir uns auf die Untersuchungen mit Hilfe seismographischer und Radiowellen verlassen können, eine Art Kabel für Kraftübertragung dar. Allerdings scheint es nicht tätig zu sein; denn während unseres ganzen Aufenthaltes am See ist es auch nicht von der geringsten Energiemenge durchflossen worden. Trotzdem verdient es Beachtung. Das eine Ende ruht unter der

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