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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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waren auf uns selbst gestellt. Ich drückte den Steuerknüppel nach vorn. Der Hubschrauber hing nun über dem Abgrund, und über uns schwebten die Wolken so dicht, daß der Propellerwind sie in eine sanfte, kreisende Bewegung versetzte. Die Maschine schaukelte wie ein Korken in unruhigem Wasser. Der Propellerfand in der verdünnten Atmosphäre nicht mehr den erforderlichen Widerstand, immer schneller drehte er sich – plötzlich sausten wir in die Tiefe. Hinter den Scheiben tanzten wie abgerissen die Querschnitte der geologischen Schichten vorbei. Der Motor heulte auf und kam wieder auf Touren. Mit Mühe parierte ich einen kräftigen Stoß des hin und her zerrenden Steuerknüppels. Langsam gewannen wir wieder an Höhe. Hinter den Fenstern der Kabine wichen die scharfen, von Dunstballen umwehten Felsrippen zurück und sanken in die Tiefe. Nicht ohne Schwindelgefühl konnte man in den Hexenkessel hinabschauen. Das war nicht das vertraute Landschaftsbild unserer Berge, deren Gesicht durch eine jahrtausendelange Einwirkung von Wasser und Wind gezeichnet war. Hier ragten inmitten der Wolken die Wände, glatt wie Tafeln schwarzen Eises, in die Höhe. Schaudernd glitt der Blick an diesen furchtbaren Stellen ab. Einem Bergadler gleich, zog die Maschine weite Kreise, stieg immer höher, bis der ganze Krater, ein finsterer Kessel, in dem der Nebel schwamm, tief unter uns lag.
    »Ich habe die Spur verloren«, teilte ich Arsenjew mit.
    »Ist das ein Vulkan? Vielleicht endet des Rohr gerade hier.«
    »Das sieht nicht nach einem Vulkan aus. Landen können wir hier nicht, was?«
    »Nein.«
    Er schob mir die Karte zu, auf der er die zurückgelegte Flugstrecke mit einer roten Linie eingezeichnet hatte.
    »Das Rohr trifft seitlich, beinahe tangential auf den Abgrund. Wir müssen es also auf der entgegengesetzten Seite suchen, dort, wo diese kleinen Felsen wie Zuckerhüte über die Wolken ragen. Dort, ja?«
    Ich nickte und steuerte den Hubschrauber über den Abgrund auf die angegebene Stelle zu. Die Felskegel glänzten so blendendweiß über den Wolken, daß man sie für hartgefrorenen Schnee halten konnte. Je mehr wir uns ihnen näherten, um so weiter schien sich die Wand des Kraters auseinanderzuschieben; immer neue Spalten, verborgene Winkel und Risse zeigten sich. Während in den Hörern ein noch leiser sehr ferner Ton aufklang, öffnete sich zwischen zwei Felsen, deren schmale Vorsprünge über dem Abgrund hingen, etwas wie ein geborstenes Tor. Dahinter lag eine schroff abfallende langeSchlucht. Der Ton in den Hörern hatte sich verändert; die Membranen brummten jetzt im tiefsten Baß.
    Ich verständigte mich durch einen Blick mit dem Astronomen. Er nickte mir zu, das hieß, ich sollte die Richtung beibehalten. Ich versuchte, etwas höher zu gehen; aber wir gerieten sofort in eine so dichte Wolke, daß sich die Umrisse der Felsen im Radargerät verwischten. Daher stellte ich das Steuer um und ließ uns zwischen die Wände der Schlucht sinken, so daß wir nun einige Meter unterhalb ihrer Ränder flogen. Das Geräusch des Motors schwoll in dem engen Raum zu einem Donnern an. Die rechte Seite des Felsens hing als ungeheurer Baldachin hoch in der Luft. Kalter, unbeweglicher Schatten fiel auf uns herab. Als ich diese gefährliche Stelle hinter mir hatte, wurde das Brummen in den Hörern durch einen neuen Ton verdrängt, der wie ein weitenferntes, dumpfes Dröhnen klang. Ungefähr hundert Meter vor uns machte die Schlucht eine scharfe Biegung. Steilhänge, die sich in das Gesichtsfeld schoben, versperrten den Ausblick.
    »Können Sie dort unten landen?« fragte Arsenjew. Gespannt hatte er das Ausschlagen des Zeigers am Induktionsapparat verfolgt. »Es scheint sich zu lohnen.«
    »Ich will es versuchen«, erwiderte ich. Vorsichtig ließ ich die Maschine hinuntergleiten. Von düsteren Schatten verhüllt, tauchte der Boden der Schlucht auf und rollte wie ein langsam ablaufender Film unter uns vorüber. Er war bedeckt von schräg gegeneinanderstehenden, scharfkantigen Felsplatten, die fast unter einer Schicht von schwarzem Schutt versanken. Ganz nahe der großen Biegung bemerkte ich einen ziemlich ebenen, nackten Felsgürtel, der frei von Gesteinstrümmern war. Es sah aus, als hätte jemand die schwarzen Lavablöcke absichtlich zur Seite geworfen. Ich dachte jedoch in diesem Augenblick über die eigenartige Erscheinung nicht weiter nach; denn ich war froh, daß ich einen Landeplatz gefunden hatte. Ich schaltete den Motor aus und benutzte

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