Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
bedeckte. Ich blickte flüchtig in das Buch, das Oswatitsch las: Die »Elemente« von Euklid. Verzweifelt trat ich wieder auf den Korridor, gerade in dem Augenblick, als sich die Tür des Laboratoriums öffnete.
    »Schluß mit der Legende über die metallenen Ameisen!« rief Arsenjew bei meinem Anblick. Er war noch im langen Laborkittel, hatte die Ärmel aufgekrempelt und die Doppellupe in die Stirn geschoben. »Sie als der Autor tun mir leid, Pilot. Aber Tatsachen entscheiden – übrigens ist der wirkliche Sachverhalt vielleicht noch rätselhafter!«
    Das Laboratorium war bis ins kleinste Eckchen mit Apparaten vollgepfropft. Sogar an der Decke hatte man große Drosselspulen befestigt. Von Tisch zu Tisch hingen verschiedenfarbige Leitungsdrähte. Unter dem großen Reflektor saßen Tarland, Rainer und Lao Tsu und betrachteten durch Vergrößerungsgläser etwas, was ich von der Tür aus nicht erkennen konnte. Ich ging näher, beugte mich über den Tisch und bemerkte auf der dunklen Platte irgendwelche winzigen Fünkchen. Neben leeren metallenen Schalen lagen einige mikroskopisch kleine Spiralen, ein Draht, feiner als ein Haar, und ein Körnchen, das nicht größer als ein Stecknadelkopf und durchscheinend wie ein Tröpfchen Rauchglas war.
    »Das sind die Eingeweide einer metallenen Ameise«, erklärte Arsenjew. »Sie ist ein Kleinstradio von einer ganz eigentümlichen Konstruktion, das auf einer Wellenlänge von wenigen Zentimetern sendet. Sehen Sie diesen winzigen Kristall?« Er hob mit der Pinzette eines der schimmernden Körnchen hoch. »Das ist ein Konglomerat verschiedener Elemente, und zwar in einer Form auskristallisiert, daß es so etwas wie ein ›Bündel‹ elektrischer Schwingungen darstellt. Wenn man diesen Kristall erregt, so gibt er die Schwingungen, ähnlich wie eine Grammophonplatte, wieder.«
    »Was sagen Sie da, Professor?« rief ich. »Das ist unmöglich.
    Ich habe doch mit eigenen Augen beobachtet, wie es auf meine Gegenwart reagierte, wie es sich bewegte und wieder erstarrte. Es meldete sich sogar ganz deutlich, wenn ich mich näherte ...«
    »Sehr richtig«, entgegnete der Astronom befriedigt. »Bitte, wir werden gleich eine solche ›Ameise‹ wiederbeleben.« Lao Tsu legte eines dieser »Geschöpfchen« auf die Ebonitplatte unter den Schirm eines großen Radargerätes, machte sich an den Schaltern und Hebeln zu schaffen und lenkte eine Garbe unsichtbarer Strahlen auf den kleinen metallenen Körper.
    »Sie sind tüchtig oxydiert«, sagte er. »Anfangs wollten sie gar nicht funktionieren; es waren einige Kurzschlüsse entstanden. Aber als wir sie gereinigt hatten, meldeten sich fast alle ... ah ... sehen Sie?«
    Er sagte das völlig ruhig, während ich vor Staunen erstarrte.
    Die »Ameise« zitterte, erhob sich und streckte das feine Drähtchen vor. Der Physiker wendete den Radarschirm nach allen Seiten, hob ihn höher, ließ ihn herunter und ließ ihn kreisen. Gehorsam folgte die »Ameise« allen Bewegungen und kehrte dabei stets das spitze Ende mit dem Drähtchen dem Schirm zu.
    »Jedes dieser kleinen Geräte besitzt, wie ich schon sagte, einen Kristall«, fuhr Arsenjew fort, »der eine Reihe bestimmter Schwingungen enthält und genauso wie unsere Radargeräte auf Radiowellen von wenigen Zentimetern reagiert. Wenn Sie sich also dort im Toten Wald Ihrer Metallameise näherten, wurde sie von den Wellen, die Ihr Helm sendete, sozusagen geweckt. Sie belebte sich und begann ebenfalls zu senden. Wenn Sie sich von ihr entfernten oder den Kopf abwandten, trafen die Wellen das kleine Gerät nicht mehr, und es schaltete sich aus. Es besitzt eine einfache Vorrichtung, auf der Grundlage des Variometers aufgebaut, durch die sie in der Lage ist, sich genau in der Richtung der erregenden Wellen einzustellen. Ist das klar?«
    Ich nickte schweigend. Meine letzte Hypothese war zertrümmert. Ich nahm mir vor, von nun an keine Hypothesen mehr aufzustellen. »Es ist also kein irgendwie geartetes ›Wesen‹?« fragte ich nach einer Weile, nur um etwas zu sagen.
    »Selbstverständlich nicht.« »Und was kann es sonst sein?«
    »Das wissen wir nicht. Unser Kollege Lao Tsu meint, daß dieBewohner der Venus auf diese Art Berichte und Erkenntnisse festhalten ...«
    »Dann wäre es also etwas Ähnliches wie ein Buch?«
    »Oder eine Schallplatte, ein Film oder auch ein Schriftstück ... Auf jeden Fall eine Art Dokument, dessen Inhalt man jederzeit wiedergeben kann.«
    »Ob wohl diese Schwingungen ... richtig, der

Weitere Kostenlose Bücher