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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Fingerknöchel. Ihr Mund bebt, als sie zögernd fragt:
    »Na, dann erzähl doch mal, mit wem du geredet hast ?«
    »Ich habe nicht geredet, ich habe laut nachgedacht .«
    Der gelassene Ton meiner Stimme macht ihr Mut. Sie beugt sich über die Stuhllehne, um mich aus größerer Nähe anzusehen, und murmelt mir verschwörerisch zu:
    »Jedenfalls sah es so aus, als wärst du in guter Gesellschaft. Deine Traurigkeit hat dich schön gemacht .«
    »Ich war wohl in Gedanken bei meinem Vater. In letzter Zeit denke ich viel an ihn .«
    Ihre Hände legen sich wie zum Trost auf meine. Unsere Blicke kreuzen sich, wandern aber rasch weiter, aus Furcht, ein Leuchten in den Augen des anderen zu entdecken, das uns peinlich wäre.
    »Wie geht es deinem Handgelenk ?« , fragt sie, um die Verlegenheit zu überspielen, die plötzlich im Raum steht.
    »Es stört mich beim Schlafen. Es ist, als hätte ich einen Stein in der Handfläche, und in den Gelenken kribbelt es .«
    Kim streicht behutsam über den Verband, der mir die Hand einschnürt, bewegt vorsichtig meine Finger.
    »Meiner Meinung nach sollten wir noch mal diese Ambulanz aufsuchen, um das zu klären. Die erste Röntgenaufnahme war nicht besonders gut. Vielleicht hast du dir was gebrochen .«
    »Ich hab heute früh versucht, Auto zu fahren. Ich hatte Mühe mit dem Lenkrad .«
    »Wo wolltest du denn hin ?« , fragt sie verblüfft.
    »Keine Ahnung.«
    Stirnrunzelnd steht sie auf.
    »Los, wir lassen noch mal dein Handgelenk durchleuchten, das ist vernünftiger .«
    Sie fährt mich in ihrem Wagen zur Ambulanz. Während der Fahrt sagt sie kein Wort, vermutlich denkt sie darüber nach, wo ich hinwollte, als ich mich heute Morgen hinters Steuer geklemmt habe. Sie wird sich fragen, ob sie mit ihrem Bemühen, mich von allem abzuschotten, nicht Gefahr läuft, mich zu erdrücken.
    Etwas drängt mich, meine Hand auf ihre zu legen, um ihr klar zu machen, wie glücklich ich mich schätze, dass sie mir beisteht, aber ich habe die Kraft dazu nicht. Ich habe Angst, dass meine Hand sich selbständig macht, dass sich nicht die richtigen Worte einstellen, dass irgendein Patzer das Unverfängliche meiner Absicht zunichte macht – ich glaube, ich bin auf dem besten Wege, jegliches Zutrauen in mich selbst zu verlieren.
    Eine dicke Krankenschwester nimmt sich meiner an. Gleich zu Beginn erklärt sie, dass ich jämmerlich ausschaue, und rät mir in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, meine Ernährung umzustellen und mich auf Grillsteak und Rohkost zu verlegen, denn, flüstert sie mir ins Ohr, ich sähe aus wie einer, der sich im Hungerstreik befindet. Der Arzt betrachtet mein erstes Röntgenbild, befindet es für deutlich erkennbar und sträubt sich eine Weile, bevor er sich bereit erklärt, mich ein zweites Mal zu röntgen. Das neue Röntgenbild bestätigt die alte Diagnose – keinerlei Knochenbruch zu erkennen, auch kein Riss, nur eben ein riesengroßes Trauma an der Zeigefingerwurzel und ein anderes, nicht ganz so ausgeprägt, im Handgelenk. Er verschreibt mir eine Salbe, etwas gegen Entzündung, außerdem Schlaftabletten und übergibt mich wieder der Krankenschwester.
    Draußen vor der Ambulanz erblicke ich Naveed Ronnen. Er sitzt in seinem Wagen auf dem Klinikparkplatz, einen Fuß gegen die offene Wagentür gestemmt, die Hände im Nacken verschränkt, und wartet auf uns, während er seelenruhig auf den Schirm einer Straßenlaterne starrt.
    »Stellt er mir nach oder was ?« Ich bin völlig überrascht, ihn dort zu sehen.
    »Red keinen Unsinn !« , schimpft Kim empört. »Er hat mich vorhin auf meinem Handy angerufen, um zu hören, wie es dir geht, und da hab ich ihm vorgeschlagen, sich hier mit uns zu treffen .«
    Mir wird klar, was für ein Depp ich doch bin. Doch über meine Lippen kommt kein Wort der Entschuldigung.
    »Pass auf, dass dir der Kummer nicht die Manieren verdirbt, Amin .«
    »Wovon redest du ?« , frage ich aufgebracht.
    »Es bringt nichts, wenn man die anderen verscheucht«, entgegnet sie und hält meinem Blick stand.
    Naveed steigt aus seinem Wagen. Er trägt einen Trainingsanzug in den Farben der Fußballnationalmannschaft, neue Sportschuhe und eine verkehrt herum aufgesetzte schwarze Kappe. Sein Bauch quillt ihm schlaff bis zu den Knien herab, ein fast schon grotesker Anblick. Die endlosen Aerobic-und Fitnessstunden, die er mit religiöser Inbrunst absolviert, scheinen nicht zu helfen, die Leibesfülle, die zunehmend lästiger wird, in den Griff zu kriegen. Naveed ist

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