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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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doch nicht dein Ernst, Amin. Sihem hatte bestimmt ein Netzwerk hinter sich, eine komplette Logistik und einen ganzen Apparat. Man sprengt sich an einem öffentlichen Ort doch nicht aus heiterem Himmel in die Luft. Das ist der Endpunkt einer langen Gehirnwäsche, einer gründlichen psychologischen und technischen Vorbereitung. Enorme Sicherheitsmaßnahmen werden getroffen, bevor es zur Sache geht. Die Auftraggeber müssen ihre Basis schützen und sämtliche Spuren verwischen. Sie wählen die Person, die das Attentat ausführen soll, erst dann aus, wenn sie sich ihrer Entschlossenheit und Zuverlässigkeit absolut sicher sind. Und jetzt stell dir mal vor, du dringst in ihr Gebiet ein und schnüffelst herum. Glaubst du, die warten, bis du bei ihnen vor der Tür stehst? Die werden dir so schnell eins auf die Nase geben, dass du noch nicht mal Zeit hast, dir klar zu machen, was für ein Idiot du warst. Ich schwöre dir, ich hab jetzt schon Bammel, wenn ich mir vorstelle, wie du da um dieses Schlangennest herumschleichst .«
    Sie ergreift meine Hände, und jäh zuckt der Schmerz in meinem Handgelenk wieder auf.
    »Das ist keine gute Idee, Amin .«
    »Mag sein, aber ich kann an nichts anderes mehr denken, seit ich den Brief gelesen habe .«
    »Ich verstehe das ja, nur sind solche Dinge wirklich nichts für dich .«
    »Streng dich nicht an, Kim. Du weißt doch, wie stur ich sein kann .«
    Sie hebt beschwichtigend die Arme. »Gut … Vertagen wir die Debatte auf heute Abend. Bis dahin wirst du das Ganze hoffentlich ein bisschen nüchterner sehen .«
    Am Abend lädt sie mich in ein Strandrestaurant ein. Wir essen auf der Terrasse. Das Meer liegt träge und dickflüssig da. Kim errät, dass sie es nicht schaffen wird, mich umzustimmen. Sie stochert in ihrem Teller herum wie ein erschöpfter Vogel.
    Es ist ein Ort zum Wohlfühlen, geführt von einem französischen Emigranten: gemütliches Ambiente, himmelweite Panoramafenster, weinrot gepolsterte Lederstühle und bestickte Überdecken auf den Tischen. Eine enorme Kerze brennt brav in einem Kristallpokal herunter. Es herrscht nur wenig Betrieb, doch die Pärchen, die da sind, scheinen allesamt Stammgäste zu sein. Ihre Bewegungen sind elegant, ihre Stimmen gedämpft. Der Herr des Hauses ist ein schmächtiges und lebhaftes kleines Kerlchen, wie aus dem Ei gepellt und von ausnehmender Liebenswürdigkeit. Die Vorspeise und den Wein hat er uns höchstpersönlich empfohlen. Kim hatte sicher einen Hintergedanken, als sie mich in dieses Restaurant einlud. Jetzt scheint sie ihn völlig aus dem Blick verloren zu haben.
    »Man könnte fast meinen, es macht dir Spaß, mit meinem Insulinwert zu spielen«, seufzt sie und lässt ihre Serviette fallen.
    »Versetz dich mal an meine Stelle, Kim. Da ist nicht nur Sihems Tat. Ich bin auch noch da. Wenn meine Frau in den Tod gegangen ist, dann beweist das doch, dass es mir nicht gelungen ist, ihr Lust am Leben zu vermitteln. Ich trage mit Sicherheit auch einen Teil der Verantwortung .«
    Sie versucht zu protestieren; ich hebe die Hand, damit sie mich ausreden lässt.
    »Das ist die Wahrheit, Kim. Kein Rauch ohne Feuer. Sie hat gefehlt, gewiss, aber wenn ich ihr allein die Schuld zuschiebe, dann drückt mich mein Gewissen .«
    »Du kannst doch überhaupt nichts dafür .«
    »Doch. Ich war ihr Mann. Es war meine Pflicht, über sie zu wachen, sie zu beschützen. Sie hat bestimmt versucht, meine Aufmerksamkeit auf diese Strömung zu lenken, die sie mit sich fortzureißen drohte. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sie versucht hat, mir ein Zeichen zu geben. Wo hatte ich nur den Kopf, meine Güte, während sie versuchte, da irgendwie rauszukommen ?«
    »Hat sie wirklich versucht, da wieder rauszukommen ?«
    »Was denkst du denn? Man läuft doch nicht ins eigene Verderben wie auf irgendeine Tanzveranstaltung. Unweigerlich beginnen Zweifel an dir zu nagen, und zwar in dem Moment, wo du dich darauf vorbereitest, den letzten, den Schritt über die Schwelle zu tun. Und diesen Moment, den hab ich verpasst, ich hab ihn nicht erkannt. Sihem hat sich garantiert gewünscht, dass ich sie wachrüttele. Aber ich hatte den Kopf sonst wo, und das, das verzeih ich mir nie .«
    Hastig zünde ich mir eine Zigarette an.
    »Es macht mir absolut keine Freude, dir Angst einzujagen«, fange ich nach einer langen Pause wieder an.
    »Ich habe jeden Sinn für solche Scherze verloren. Seit diesem verfluchten Brief denke ich nur noch an dieses Zeichen von ihr, das ich

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