Die Attentaeterin
erinnere mich nicht, dem Kampf der einen je Beifall gezollt oder den der anderen je verurteilt zu haben, da ich sie beide unendlich vernunftwidrig fand. Nicht ein einziges Mal habe ich mich betroffen gefühlt, oder auch nur angesprochen, in dem blutigen Konflikt, der bei Licht besehen Prügelknaben und Sündenböcke einer verbrecherischen Geschichte, die jederzeit rückfällig werden kann, unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegeneinander hetzt. Ich habe so viel an gemeiner Anfeindung erlebt, dass das einzige Mittel darin besteht, denen nicht ähnlich zu werden, die dahinterstecken, und nicht meinerseits darein zu verfallen. Statt die andere Wange hinzuhalten oder Auge um Auge auszuteilen, habe ich mich dafür entschieden, den Kranken zu helfen. Ich habe den edelsten Beruf, den die Menschheit kennt, ich bin stolz auf ihn und würde um nichts auf der Welt etwas tun, was seinem Ansehen schaden könnte. Mein Besuch in Bethlehem war letztlich nur eine Flucht nach vorn; mein vermeintlicher Wagemut nichts als ein Ablenkungsmanöver. Wer bin ich, dass ich mir anmaßen könnte, dort zu triumphieren, wo die zuständigen Behörden sich täglich die Zähne ausbeißen? Ich habe es mit einer reibungslos funktionierenden Maschinerie zu tun, die durch langjähriges Intrigieren und bewaffnetes Manipulieren hervorragend eingespielt ist und den besten Spürnasen der Geheimdienste das Leben schwer macht. Ich hab dem nichts als den Frust des betrogenen Ehemanns entgegenzusetzen, eine hochgekochte Wut ohne echte Tragweite. Und in diesem Duell ist kein Platz für Gefühlszustände, geschweige denn für menschliche Rührung. Nur Geschütze, Sprenggürtel und Verrat haben mitzureden, und wehe den Puppenspielern, deren Marionetten nicht mehr folgen. Es ist ein gnadenloses Duell, ohne Regeln, jedes Zögern kann tödlich sein und jeder Irrtum der letzte. Es ist ein Duell, in dem der Zweck die Mittel heiligt und das Heil nicht eben hoch im Kurs steht, im Gegensatz zum Taumel der Rachegelüste und zum spektakulären Tod. Ich aber habe stets einen heiligen Schreck vor Panzern und Bomben gehabt, in denen ich nie etwas anderes zu sehen vermochte als das Fürchterlichste, was die Spezies Mensch an sich hat, in vollendeter Reinkultur. Die Welt, in die ich in Bethlehem so respektlos eingedrungen bin, ist mir fremd; ich kenne ihre Rituale nicht, erfülle ihre Ansprüche nicht und halte mich für unfähig, mich daran zu gewöhnen. Ich hasse alles, was Krieg und Revolution ist, und diese Geschichten von der erlösenden Gewalt, die sich endlos um sich selber drehen und eine Generation nach der anderen in ihren abstrusen mörderischen Strudel reißen, ohne dass es in ihrem Kopf irgendwann klick macht. Ich bin Chirurg und finde, der menschliche Körper ist schon zu sehr vom Schmerz gepeinigt, als dass Leute, die körperlich und geistig gesund sind, auf Schritt und Tritt noch mehr davon wollen.
»Du kannst mich bei mir absetzen«, sage ich zu Kim, als die Hochhäuser von Tel Aviv in der Ferne aufleuchten.
»Brauchst du irgendwas von zu Hause ?«
»Nein, ich will einfach nur nach Hause zurück .«
Sie runzelt die Stirn. »Das ist noch zu früh .«
»Das ist mein Zuhause, Kim. Früher oder später muss ich ja doch wieder dahin .«
Kim wird bewusst, was für einen Fehler sie begangen hat.
Verärgert schiebt sie sich eine Strähne aus der Stirn.
»Ich hab das nicht so gemeint, Amin .«
»Macht doch nichts .«
Während der nächsten paar hundert Meter beißt sie sich auf die Lippen. »Da ist immer noch dieses verfluchte Zeichen, das du nicht erkannt hast, ja ?«
Ich gebe keine Antwort.
Ein Traktor rumpelt einen Abhang entlang. Der Junge, der ihn lenkt, muss sich am Steuer festhalten, um nicht abgeworfen zu werden. Zwei Hunde mit rotem Fell springen um den Traktor herum, der eine mit gesenkter Schnauze, der andere eher unkonzentriert. Hinter einer Hecke taucht ein Häuschen auf, winzig und wurmstichig, bevor eine Baumgruppe es flink wie ein Zauberer wieder verschwinden lässt. Von neuem nehmen die Felder ihr endloses Defilee durch die Ebene auf. Es sieht aus, als würde sich die kommende Jahreszeit selbst übertreffen.
Kim wartet erst ab, bis sie einen Militärkonvoi überholt hat, dann fährt sie fort: »Hast du dich bei mir denn nicht wohl gefühlt ?«
Ich wende mich ihr zu, doch sie blickt weiter starr geradeaus.
»Ich wäre gerne länger geblieben, Kim, das weißt du genau. Ich schätze deine Gegenwart sehr. Nur brauche ich jetzt ein bisschen
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