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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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hinterlassen haben; in den Schlafzimmern ein riesiges Durcheinander, die Schubladen am Boden, ihr Inhalt verstreut, Schränke ausgeräumt, Regale umgeworfen, Möbel verstellt, manche umgedreht. Inzwischen haben sich auch Staub und welkes Laub breitgemacht, wegen der zersplitterten Scheiben und der Fenster, die ich zu schließen vergaß. Der Garten ist in einem schlimmen Zustand, mit Bierdosen, Zeitungen und allem möglichen Unrat übersät, den der Mob von neulich dort zurückgelassen hat, als Ausgleich für den missglückten Coup. Ich rufe den Glaser an; er sagt, er habe gerade viel zu tun, verspricht aber, vorbeizuschauen, bevor es dunkel wird. Ich fange schon einmal damit an, in den Zimmern Ordnung zu schaffen, sammle ein, was am Boden liegt, stelle gerade, was umgeworfen wurde, schiebe Regale und Schubladen dahin, wo sie hingehören, sortiere die beschädigten Dinge aus. Als der Glaser eintrifft, bin ich gerade mit Durchfegen fertig. Er hilft mir, die Mülltüten hinauszutragen, und beginnt, die Fenster zu inspizieren, während ich mich in die Küche zurückziehe, um mir eine Zigarette und einen Kaffee zu genehmigen, kurz darauf kommt er mit einem Notizblock zurück, auf dem er die diversen Reparaturen, die durchzuführen sind, notiert hat.
    »Orkan oder Vandalismus ?« , will er wissen.
    Ich biete ihm eine Tasse Kaffee an, die er gern annimmt. Es ist ein dicker Rothaariger mit einem Gesicht voller Sommersprossen, das zur Hälfte aus Mund besteht, dazu runde Hängeschultern und kurze Beine, die in zerkratzten Militärstiefeln stecken. Ich kenne ihn seit Jahren; seinen Vater habe ich schon zweimal operiert.
    »Es gibt viel Arbeit«, informiert er mich. »Dreiundzwanzig Scheiben müssen ersetzt werden. Du solltest auch einen Schreiner bestellen, du hast zwei beschädigte Fenster und mehrere Fensterläden, die repariert werden müssen .«
    »Kennst du einen, der was taugt ?«
    Er kneift beim Überlegen ein Auge zu.
    »Da gäbe es jemanden, der gar nicht so schlecht ist, aber ich weiß nicht, ob er sofort kann. Ich fange morgen an. Ich hatte einen harten Tag und bin erledigt. Ich bin nur eben wegen dem Kostenvoranschlag vorbeigekommen. Ist dir das recht ?«
    Ich sehe auf die Uhr.
    »Einverstanden. Morgen dann.«
    Der Glaser leert in einem Zug seinen Kaffee, verstaut seinen Notizblock in einer alten Mappe mit ausgeleierten Riemen und verabschiedet sich. Ich hatte befürchtet, er würde vom Attentat anfangen, da er offensichtlich Bescheid weiß. Aber nichts. Er notierte, was zu notieren war, und fertig.
    Nachdem er gegangen ist, gehe ich unter die Dusche und mache mich auf den Weg in die Stadt. Erst im Taxi zu der Garage, in der ich mein Auto vor der Abfahrt nach Jerusalem untergestellt habe, dann im eigenen Wagen Richtung Küste. Der hektische Verkehr nötigt mich, einen Parkplatz am Mittelmeer anzusteuern. Familien und Pärchen flanieren über die Strandpromenade. Ich esse in einem kleinen versteckten Restaurant zu Abend, genehmige mir in einer Bar am anderen Ende der Straße ein paar Bierchen und trödele dann bis tief in die Nacht am Strand herum. Das Rauschen der Wellen erfüllt mich mit Wehmut. Ich komme leicht angetrunken zu Hause an, der Geist aber ist einigermaßen befreit.
    Ich döse im Sessel ein, in Straßenkleidung, mit den Schuhen an den Füßen – zwischen zwei Zigarettenzügen hat mich der Schlaf übermannt, einfach so. Plötzlich knallt ein Fenster, und ich schrecke hoch, schweißgebadet. Ich glaube, ich habe etwas Schlimmes geträumt, aber mir will nicht einfallen, was. Ich stehe unsicher auf. Mein Herz verkrampft sich, Schauer laufen mir über den Rücken. Ich höre mich rufen: Ist da jemand? Ich mache in der Diele Licht, in der Küche, den Schlafzimmern, horche auf verdächtige Geräusche … Ist da jemand? Eine Balkontür im ersten Stock ist geöffnet, der Vorhang bläht sich im Wind. Kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Ich schließe die Fensterläden und kehre ins Wohnzimmer zurück. Aber dieses Gefühl, als wäre da jemand, ganz nah und zugleich ganz schemenhaft, das bleibt. Mich schaudert noch mehr. Das ist bestimmt Sihem oder ihr Geist, oder beide zugleich, die zurückgekehrt sind … Sihem … Der Raum füllt sich immer mehr mit ihr an. Nach ein paar Herzschlägen ist das Haus randvoll mit ihr, lässt mir nur noch eine winzige Lufttasche, um nicht zu ersticken. Alles verwandelt sich in die Hausherrin. Leuchter, Kommoden, Gardinenstangen, Konsolen, Farben … Auch die Gemälde, die sie

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