Die Attentäterin
Jäger. Kein Jäger, wie Tikki einer ist, aber eben doch wie ein Jäger. Sie kann die Instinkte in seinen schwarzen Marmoraugen sehen. Adama kennt sich mit Jägern und Beute, mit Töten und Tod aus. Er weiß, daß Töten manchmal unumgänglich und der Tod ein inhärenter Bestandteil des Lebens ist. Er weiß, daß Menschen ein Wort wie Mord benutzen, weil es ihnen an der Perspektive des Jägers mangelt und sie nicht verstehen, was im letzten Augenblick zwischen Jäger und Beute vorgeht, wenn die Zähne ins Fleisch eindringen und die Lebenssäfte dampfend und rot ausströmen, um die Erde zu beflecken.
In der Wildnis gibt es keinen Mord, keine Gesetze, kein Richtig oder Falsch. Es gibt nur die Natur, den Überlebenskampf. Wer heute nacht tötet, hat Nahrung und lebt dadurch vielleicht weiter, um den nächsten Morgen zu begrüßen.
Der wahre Jäger versteht das.
Noch bevor Adama zu Ende gegessen hat, streift ihn eine kurvenreiche Brünette mit dem Ellbogen an der Schulter, um dann innezuhalten, ihn anzusehen und dann anzulächeln, als wolle sie sich entschuldigen. Adama sieht auf und in ihr Gesicht und lächelt. Einen Augenblick später deutet er vage auf den anderen Stuhl an seinem Tisch.
Die Brünette setzt sich, lächelt, beginnt ein Gespräch. Tikki richtet diskret einen kompakten Fuchi SCX-5 ScanMan auf sie. Der ScanMan erklärt, daß die Frau ungefährlich, da unbewaffnet ist.
»Wirst du meine Leandra sein?« fragt Adama.
Die Brünette lacht leise und ruft eine Freundin zu sich.
Die Freundin bringt eine weitere mit.
Nach kurzer Zeit ist Adama von sieben wohlproportionierten Frauen umringt, die sich alle so verhalten, als seien sie von seinem Gerede total hingerissen. Eine nach der anderen führt er sie auf die Tanzfläche und wieder zurück. Er kauft ihnen Drinks. Er macht ihnen Komplimente hinsichtlich ihrer Frisur, ihrer Kleidung, ihres Aussehens. Er zündet ihre Zigaretten an und kichert leise, als ihm mehrere von ihnen Feuer für seine Zigarre anbieten.
Tikki ist nicht weiter überrascht. Sie hat all das schon zuvor gesehen. Vielleicht hat die Fuchi-Anstecknadel an Adamas Revers etwas damit zu tun. Oder vielleicht hat Adama einfach ein Talent oder einen Instinkt dafür, dazusitzen und abzuwarten, zu lauern und eine subtile Art Hinterhalt aufzustellen, so wie sie ein Talent dafür hat, Beute zu beschleichen. Oder vielleicht haben gewisse menschliche Frauen auch einen siebten Sinn für Männer, die Macht und Reichtum ausstrahlen.
»Wer wird meine Leandra sein?« fragt Adama.
Die Frauen lachen alle.
Langsam wird es spät.
Zwangsläufig kristallisiert sich eine Favoritin heraus, ein üppiger Rotschopf mit leicht gebräunter Haut. Sie trägt ein enganliegendes schwarzes Kleid, das die Umgebung wie ein Spiegel reflektiert. Adama wirft Tikki einen flüchtigen Blick zu und hebt dabei fragend eine Augenbraue. Tikki begutachtet die Favoritin und nickt. Adama fragt sie immer nach ihrer Meinung, ein Jäger fragt den anderen.
In einem intimen Tonfall fragt Adama die Auserwählte: »Willst du meine Leandra sein?«
Die Frau lächelt und nickt eifrig, stöhnt leise, umarmt Adama und liebkost seinen Hals.
Adama lächelt, als sei er zufrieden. »Meine wunderschöne Leandra«, sagt er. »Kommst du mit zu mir nach Hause?«
Die Auserwählte nickt und haucht schmachtend: »Jaaaa... O jaaaa...«
Adama reicht ihr seinen Arm. Tikki führt sie aus dem Club und zu der am Bordstein wartenden Limousine. Auf dem Weg zum Wagen begutachtet Tikki das Terrain und läßt Adama und die Auserwählte zuerst in den Fond der Limousine steigen.
Die Umweltversiegelung schließt sich mit leisem Zischen.
Der Wagen gleitet geschmeidig durch die Straßen der Stadt. Der Rotschopf, die Auserwählte, lehnt sich gegen Adama, wobei sie leise gurrt und ihn streichelt, während dieser auf ein paar Tasten drückt.
Musik setzt ein, etwas Lautes, Heftiges, Rohes.
Tikki zündet sich noch eine von ihren schlanken Sumatra-Zigarillos an und gestattet sich ein schwaches Lächeln. Das Spiel wird bald interessant werden.
Menschen geben sich oft dem Irrglauben hin, sie seien denkende Tiere und daher eigentlich überhaupt keine Tiere. Die Wahrheit, wie Tikki sie sieht, steht in krassem Gegensatz zu dieser Einstellung. Alle Tiere denken bis zu einem gewissen Grad. Das menschliche Tier ist ein sehr hochentwickeltes Tier mit komplexen Gedankengängen und einer fast unendlichen Gewohnheitenvielfalt, aber es ist dennoch ein Tier und folglich den
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