Die Attentäterin
und ihrer Beziehung zu Eliana ist etwas, das über das Gewöhnliche, das Weltliche, hinausgeht. Raman hat den Verdacht, daß die Katze selbst ein magisches Wesen ist und Magie wirken kann. Jedenfalls ist sie keine gewöhnliche Katze. Daran hat er keinen Zweifel.
Eliana erklärt natürlich nur dann etwas, wenn sie muß und die Neigung dazu verspürt. Meistens zieht sie es vor, andere im ungewissen zu lassen.
Jetzt schüttelt sie ihren Umhang aus, dann ihr Haar, und wendet sich schließlich einem großen Fenster zu, das nach vorne hinausgeht. Die Scheibe weist zahlreiche Sprünge auf, als sei sie von einem Stein getroffen worden, jedoch nicht zerbrochen. Eliana zeigt auf ein Reihenhaus schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite. »Dort wirst du sie finden«, sagt sie leise. »In einem der Zimmer im fünften Stock. Striper ist jetzt nicht da, wird aber bald kommen. Das ist ihr Versteck. Ihr Schlupfwinkel.«
Eliana dreht sich um und mustert Raman. Das schwache Licht von der Straße läßt ihre Augen funkeln. Die hohen Absätze ihrer Stiefel machen sie so groß, daß sie kaum das Kinn zu heben braucht, um ihm in die Augen zu sehen. Sie lächelt schwach.
»Sei vorsichtig.«
»Warum?«
Eliana verzieht eine Augenbraue und schaut wieder über die Straße. »Diese Striper ist höchst ungewöhnlich. Ich habe ihre Aura gesehen. Sie ist sehr stark. Sehr gefährlich.«
»Was macht sie so gefährlich?«
Eliana wendet den Kopf ein wenig und betrachtet ihn aus dem Augenwinkel, sagt aber nichts.
Das ist typisch für sie.
40
Tikki biegt von der Straße ab, geht durch die Tür des Reihenhauses in Nordostphilly und hält im
Foyer kurz inne. Der Bursche mit dem leuchtend orangefarbenen Haar und den spitz zugefeilten Zähnen sitzt auf der Treppe und betrachtet sie einen Moment lang, dann senkt er seine Schrotflinte. Tikki starrt ihn noch einen Augenblick länger an, dann geht sie die Treppe herauf. Sie mag keine Leute, die Kanonen auf sie richten, auch wenn es ihr Job ist.
Ansonsten ist der Abend gut verlaufen. Adama hat ihr seinen Plan hinsichtlich des bevorstehenden Anschlags auf Bennari Ohashi, dem Yakuza-Exec, erläutert. Es ist ein guter Plan. Tikki glaubt nicht, daß sie irgendwelche Probleme haben wird. Die Zweifel, die ihr an Adama gekommen waren, müssen das Produkt ihrer eigenen Paranoia sein. Der Mann ist viel zu sehr Jäger, um sie zu verraten. Das Töten bereitet ihm ein viel zu großes Vergnügen, als daß er sich jemals gegen sie wenden würde. Was kann mit ihr nicht gestimmt haben, daß sie ihn des Verrats verdächtigt hat? Sie denkt ausgiebig darüber nach, kommt aber zu keinem Ergebnis. Sie muß verrückt gewesen sein.
Nicht ganz bei sich.
Sie erreicht das Ende der Treppe, öffnet die Treppenhaustür und betritt den Flur des fünften Stocks. Ein merkwürdiger Geruch läßt sie wie angewurzelt stehenbleiben. Bevor sie ihn identifizieren kann, trifft sie etwas von schräg oben und schlägt sie zu Boden.
Was geht hier vor? Sie wird angegriffen, ist in einen Hinterhalt geraten. Das ist Tikki bereits klar, als sie den Schlag auf Hinterkopf und Rücken spürt, als sie unglaubliches Gewicht sie flach auf den Boden und ihr die Luft aus den Lungen preßt.
Bevor sie auch nur zu kämpfen anfangen kann, spürt sie einen kalten, stechenden Schmerz in der Ge gend ihrer rechten Niere, der sich durch ihren Rücken nach oben brennt, und dann ist es zuviel. Vorbei, bevor es begonnen hat. Schwäche überfällt sie. Die Schmerzen ersticken ihr Bewußtsein.
Sie hört ihr Herz hämmern.
Bis alles von einer großen Stille verschluckt wird … Raman läßt die Klingen in die Unterarmhalterung zurückschnappen und erhebt sich. Kein Zweifel, die blutüberströmte Gestalt auf dem Boden ist Striper. Sie trägt ihr Markenzeichen, die rotschwarze Gesichtsbemalung und ein entsprechendes Kunstlederoutfit. Die klaffende Wunde erstreckt sich von der Hüfte bis zur Schulter und verdeutlicht ihren Zustand. Raman hat viele derartige Wunden gesehen. Selbst ein DocWagon-Notfallteam könnte Striper jetzt nicht mehr wiederbeleben. Der Schaden, den seine Klingen angerichtet haben, ist zu umfassend, zu schwer. Striper ist tot. Seine Arbeit ist getan.
Diese Tatsache bestätigt nur seine persönliche Überzeugung: Niemand ist unüberwindlich. Niemand ist ständig so vorsichtig oder schlau oder schnell, um gegen den Tod gefeit zu sein. Auf jedes Wesen, das tötet, kommt ein anderes, das fähig ist, es zu töten. Irgendwo auf der Welt
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