Die Attentäterin
Flugzeug nach praktisch jedem beliebigen Ort auf der Welt nehmen. Es könnte sich sehr gut um ihre Art von Stadt handeln. Sie wird es damit versuchen.
Als sie das Restaurant verläßt, nimmt sie noch einen letzten Zug von ihrer schlanken Partagas Purito, dann wirft sie den Stummel in die Gosse. Die Nacht ist kühl. Die Stadt poltert um sie herum. Doch was sie hört, sind die Worte ihrer Mutter, die sie ihr einmal in einer kühlen, finsteren Nacht in Hongkong ins Ohr geflüstert hat: Laß ab von Drachen, wähl deine Feinde mit Bedacht, such deine eigene Wahrheit...
Dem fügt Tikki noch ihre eigene Regel hinzu: Halt dich von Magiern fern.
Wenn ihre Vermutungen stimmen, muß ein ziemlich mächtiger Magier mit jenen im Bunde sein, die ihren Tod wollen. Das allein ist schon Grund genug zu verschwinden. Aus Philadelphia. Vielleicht aus den UCAS. Vielleicht sogar aus diesem Teil der Welt.
Sie nimmt die U-Bahn an der Broad Street, fährt bis zur Race Street und geht dann in östliche Richtung, nach Chinatown. Eine Gasse in der Nähe der Zehnten bringt sie zu einem dreistöckigen Ziegelhaus. Die Hintertür öffnet sich auf eine Treppe, die zu einer Metalltür hinabführt. Sie tippt den Zugangscode in das Schloß. Die Tür klickt. Sie öffnet sie und tritt ein.
Der Raum, den sie betritt, ist eine Betonschachtel, wenig größer als zwei mal zwei Meter. Eine nackte Glühbirne in einer Fassung an der Decke flammt auf, als sich die Tür öffnet. An der linken Wand steht eine schwarze Stahltruhe. Tikkis Notausrüstung. Die Truhe enthält unter anderem eine Kang, eine genaue Kopie der Waffe in ihrem Rückenhalfter, und zehn Clips Munition, außerdem ein paar beglaubigte Kredstäbe sowie verschiedene Identitäten. Fast alles, was sie braucht, um schnell zu verschwinden, befindet sich in diesem Kasten. Tikki ist gerne auf alles vorbereitet.
Worauf sie nicht vorbereitet ist, ist der Mann, der auf der Truhe sitzt. Sie hat die Kang bereits gezogen, bevor sie mehr sieht als eine menschenähnliche Gestalt und dunkle Kleidung. Der sauber gestutzte Bart, der schicke schwarze Anzug und die polierten schwarzen Schuhe registriert sie erst mehrere Augenblicke später. Der Gedanke, der ihr in erster Linie durch den Kopf geht, ist die Tatsache, daß niemand hier sein dürfte, weil niemand ihr Versteck kennen sollte. Tikki läßt sich auf ein Knie sinken und lehnt die Schulter gegen den Türrahmen, als sie die Kang anlegt. Dann wird ihr klar, daß es sich bei dem Mann um Adama handelt. Er lächelt sie milde an, als sehe er die Kanone nicht, die auf sein Gesicht zeigt.
Die nackte Glühbirne an der Decke verleiht seinen Augen einen unnatürlichen Glanz.
»Entschuldigen Sie mein Eindringen«, sagt er ruhig und vage mit den Händen wedelnd, als wolle er etwas Unwichtiges beiseite schieben. »Sie waren ein paar Tage verschwunden. Ich war... beunruhigt.«
Er fügt seinen Worten ein Lächeln hinzu.
Tikki senkt die Kang, richtet sich auf. Ein Dutzend Fragen schießen ihr durch den Kopf. Wie ist Adama durch diese Tür gekommen? Woher weiß er überhaupt von diesem Ort? Wie ist er darauf gekommen, daß sie jetzt hierherkommt? Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, bringt jedoch kein Wort heraus. Tikki ist so völlig verblüfft, daß sie nicht einmal weiß, welche Frage sie ihm zuerst stellen soll.
Er streckt eine Hand aus, Innenseite nach oben, als wolle er ihr etwas anbieten. »Ihnen ist nichts geschehen, wie ich sehe.«
Tikki schüttelt den Kopf. »Und selbst?«
»Es geht mir gut, danke der Nachfrage«, erwidert Adama, während er müßig seinen Gehstock zwischen den Fingern dreht. Tikki reibt sich den Nacken, da sie dort einen Juckreiz verspürt. »Ihre Bemühungen scheinen die Konkurrenz einzuschüchtern«, sagt Adama. »Ich bin sehr zufrieden. Ich nehme an, ich kann auch weiterhin auf Ihre Dienste zählen.«
Ihr kommt ein Gedanke. »Mein Geld.«
»Sie wollen einen neuen Preis aushandeln«, sagt Adama lächelnd und kurz mit der Hand winkend. »Das ist nur natürlich. Ich bin sicher, wir können uns auf einen fairen Preis für Ihren nächsten Job einigen.«
Ja, genau...
Ihr nächster Job. Adama erwähnte, er hätte noch einen Job für sie. Bis zu diesem Augenblick hat Tikki daran keinen ernsthaften Gedanken verschwendet. Irgend etwas daran hat sie gestört, aber sie kann sich nicht mehr erinnern, was. Sie nimmt an, wenn Adama bereit ist, über neue Vertragsbedingungen zu verhandeln, müßte sie dumm sein, wenn sie ablehnte.
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