Die Attentäterin
vergeudet, überrascht ihn nicht. Sie ist geradezu besessen von ihrem Aussehen, ihrer äußeren Erscheinung, ihrer Sauberkeit, und zwar auf eine Weise, die andere Frauen im Vergleich geradezu schlampig wirken läßt. Sie verbringt Stunden in der Badewanne und weitere Stunden damit, sich zu schminken, frisieren und anzuziehen.
Heute nacht trägt sie eine hautenge schwarze Bluse und einen dazu passenden kurzen Rock mit einem breiten goldenen Gürtel. Die geschmeidigen schwarzen Stiefel mit spitzen hohen Absätzen reichen ihr bis knapp unter den Rocksaum. Darüber trägt sie einen fast knöchellangen Umhang, außen schwarz, innen goldglitzernd. Dutzende drahtdünner Armreifen klimpern an ihren Unterarmen. An jedem Finger trägt sie einen Ring. Um den Hals hängt eine Unmenge dünner Ketten und Anhänger.
Abrupt wickelt sie sich in den Umhang, so daß selbst ihre Arme bedeckt sind.
»Da lang«, sagt sie, mit dem Kinn in eine Richtung deutend.
Eliana dreht sich um und geht die Gasse entlang in die abfallübersäte Dunkelheit hinein. Genau das findet Raman höchst überraschend, daß sie sich an so einen Ort begibt, eine Gasse inmitten der verfallenen Slums in der Nähe der Strafanstalt. Er hat jetzt seit drei Jahren verschiedentlich mit Eliana zu tun gehabt. Wie oft hat sie sich jemals auf die Straße und in die finstersten Nischen der Stadt begeben? Zweimal? Dreimal? Dies ist ein äußerst seltenes Ereignis. Eliana, die von Sauberkeit besessene und übertrieben pingelige Frau, setzt sich tatsächlich dem Risiko aus, beschmutzt zu werden oder sich dreckig zu machen. Bemerkenswert.
Sie biegen um eine Ecke, Eliana an der Spitze. Ein kleines Stück entfernt sehen sie eine Gruppe schwarz gekleideter Jugendlicher, die grölen und lachen. Ihr Gejohle wird bösartig, als sie die Frau sehen. Eliana sieht viel zu klein, zierlich und weiblich aus, um gefährlich sein zu können. Ramans Hand schließt sich um den Griff des Messers, das in seiner Jacke in der Scheide steckt, aber er braucht nicht einzugreifen.
»Hey! Seht euch mal die Schnalle an!«
»Hast wohl dringende Bedürfnisse, was, Baby?«
Einer der Jugendlichen geht auf Eliana zu, greift nach ihrem Haar. Sie gibt einen Laut wie ein Grunzen von sich, dann zuckt ihre Hand unter dem Umhang hervor und schlägt nach dem Gesicht des Jungen, wie eine Katze es täte. Der Junge wird herumgewirbelt, als habe ihn die Hand eines Riesen getroffen, stürzt über ein Metallfaß und bleibt regungslos liegen. Blut rinnt aus den zerfetzten Überresten von Gesicht und Kehle. Die anderen Jugendlichen zö- gern. Eliana reckt einen Arm in die Dunkelheit des Himmels, die Finger wie Klauen gekrümmt. Die Luft in der Gasse gerät plötzlich ins Wirbeln. Aus dem Nichts bildet sich ein Zyklon. Die Jugendlichen gaffen, dann machen sie kehrt und laufen davon, wobei ihnen von hinten alle möglichen Abfälle um die Ohren fliegen.
Der Zyklon läßt nach und legt sich schließlich ganz. Eliana glättet ihr Haar, hüllt sich wieder in ihren Umhang und geht dann weiter, die Gasse entlang, nicht allzu weit. Vor der Hintertür eines Hauses auf der rechten Seite wirft sie den Umhang zurück und reckt beide Arme in den Nachthimmel. Die Tür fliegt nach innen, als sei sie von der Faust eines Riesen aus den Angeln geschlagen worden. Staub wird aufgewirbelt und legt sich wieder. Eliana bürstet sich die Kleidung ab, glättet ihr Haar und geht dann hinein.
Das Innere des Hauses ist eine graue, staubige Ruine, die vom Sternenlicht und dem orangefarbenen Leuchten der Straßenlaternen auf der Vorderseite trübe erhellt wird. Löcher in den Wänden, überall verstreute Bruchstücke von Möbeln. Irgendwo tropft leise Wasser. Der Geruch nach Schimmel und Fäulnis. Eliana grunzt vor offensichtlichem Ekel. Ein schmaler Flur führt zur Vordertür und an einer offenen Tür auf der linken Seite vorbei. Hinter dieser Tür befindet sich ein mittelgroßer Raum nach Art eines Wohnzimmers.
Mitten auf dem Boden sitzt eine Katze, Elianas schwarze Katze. Die Frau betrachtet die Katze einen Moment lang, dann geht sie in die Hocke, als wolle sie das Tier streicheln oder vielleicht aufheben, doch als sie sich wieder aufrichtet, ist die Katze verschwunden. Sie ist weder auf dem Boden noch in Elianas Armen. Raman hat nicht gesehen, wohin sie verschwunden ist. Offenbar hat Eliana sie mit ihrer Magie irgendwohin geschickt. Es wäre nicht das erstemal, daß sie dies oder etwas ähnliches in seiner Gegenwart tut.
An der Katze
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