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Die Attentäterin

Die Attentäterin

Titel: Die Attentäterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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Kiefer um den Hals der Frau zu schließen, doch was er sieht, läßt ihn innehalten.
    Ihre Kiefer schieben sich vor. Rotschwarz gestreiftes Fell bedeckt ihr Gesicht. Ihr Körper schwillt auf das Doppelte seiner ursprünglichen Größe an. Ein einziger Hieb mit stählernen Krallen, so gewandt und scharf wie seine eigenen, beweist zweifelsfrei die Realität dessen, was er sieht.
    Raman wirbelt herum und jagt zum Treppenhaus, weg von diesem Wesen, das plötzlich mindestens so groß wie er selbst, wenn nicht größer, und genauso tödlich ist.
    Das Wesen wälzt sich auf den Bauch, erhebt sich dann auf vier kräftige, muskulöse Beine, wendet sich zu ihm um und brüllt, brüllt sogar noch lauter als er, erfüllt den Flur mit seiner Wut, die Ohren angelegt, die Fänge gebleckt und glänzend. Raman setzt zu einer Erwiderung an, verstummt dann jedoch verblüfft. Dieses Wesen sieht genauso aus wie er! Sein Fell hat eine andere Farbe, aber ansonsten könnten sie Zwillinge sein. Verwirrende Gedanken, manche davon nur halb ausgegoren, überschlagen sich in seinem Verstand. Er hat schon die halbe Welt bereist und ist noch nie einem Wesen wie ihm selbst begegnet. Woher kommt diese Frau seiner Rasse?
    Könnten sie Bruder und Schwester sein?
    Plötzlich ist sie direkt vor ihm, brüllt, springt ihn an, schlägt mit den Krallen nach ihm. Es ist ein kurzer, aber heftiger Austausch von Schlag und Gegenschlag, schwieriger und herausfordernder als alles, was Raman bisher erlebt hat. Er weicht überrascht zurück, bemerkt kaum das frische Blut, das von seinem Gesicht auf Schultern und Vorderpfoten tropft. Sofort stellt er sich auf die Hinterbeine, brüllt, läßt sich auf alle viere sinken und stürmt vor. Die Frau begegnet ihm frontal, brüllt, schlägt um sich, aber diesmal ist sie es, die sich zurückzieht.
    Dann stehen sie einander gegenüber, kaum zwei Meter voneinander entfernt, heiser japsend, die Fänge gebleckt, die Ohren angelegt. Knurren sich an, fauchen. Alte Schmerzen sind neuen gewichen. Ihr Fell ist blutverschmiert.
    Plötzlich richten sich die Ohren der Frau auf. Raman zögert, weiß nicht, wie er diese neue Reaktion deuten soll. Alles geschieht so schnell. Kaum ein Augenblick scheint verstrichen zu sein, seit sie ihn unter Beschuß genommen hat. Alles, was davor war, scheint jetzt unwichtig. Alles, was vor ihrer Verwandlung geschehen ist, kommt ihm völlig bedeutungslos vor.
    Plötzlich, ohne Warnung, schießt sie an ihm vorbei.
    Flieht sie...?
    Nein - Raman wirbelt herum und sieht einen Mann in der Tür zum Treppenhaus stehen. Der Mann hält ein Gewehr in der Hand, eine Schrotflinte. Die Frau landet mit einem gewaltigen Satz vor dem Mann und springt ihn an. Die Schrotflinte brüllt, und sie brüllt - brüllt lauter als je zuvor -, und dann stürzen beide die Treppe herunter und sind außer Sicht.
    Ramans Krallen graben sich in den Fußboden, und er jagt hinter ihnen her.
    Er findet sie auf dem Absatz eine Treppe tiefer.
    Der Mann liegt reglos da, eine blutüberströmte Leiche. Die Frau steht wartend da, ihm zugewandt, der Treppe zugewandt. Sie öffnet den Mund ein wenig, bleckt jedoch nicht die Zähne, als Raman langsam die Treppe heruntergeht und kurz vor dem Absatz stehenbleibt. Die Frau kommt näher, begegnet ihm Nase an Nase, schnüffelt, beschnüffelt sein Gesicht. Raman beschnüffelt sie ebenfalls. Ihr Geruch ist anders als alles, was er bis jetzt gerochen hat, moschusartig und kraftvoll und... Anders. Seltsam, exotisch, unglaublich und überwältigend weiblich. Der Geruch schießt ihm direkt in den Unterleib, krallt sich dort fest, packt ihn, erregt ihn. Mehrere Augenblicke verstreichen, bevor er das neue Blut bemerkt, das das Fell an ihrer rechten Schulter und Vorderpfote befleckt. Das zeugt von der Wunde, die sie beim Angriff auf den Mann mit der Schrotflinte davongetragen hat. Warum hat sie das getan? Raman wundert sich darüber, neben allem anderen, das auf seinen Verstand einstürmt.
    Könnte es sein, daß sie ihn beschützen wollte?
    Das hat bisher noch niemand getan.
     
    Wenn sie träumt, erlebt sie den Traum ihres Lebens, weil sie Wahrheit nicht von Phantasie unterscheiden kann. Sie bleibt am Rande des Treppenabsatzes stehen, sieht auf, reckt den Hals, um der Illusion Auge in Auge und von Nase zu Nase zu begegnen, als könne sie so die Wahrheit aufdecken, den Fehler in der Illusion riechen. Der männliche... was? Tiger...? Wertiger? steht vor ihr. Die meisten seiner Wunden scheinen verheilt zu sein, so wie

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