Die Attentäterin
delegieren - in einem vernünftigen Rahmen, versteht sich. Jetzt beschäftige ich mich nur noch mit den generellen Strategien des Konzerns und überlasse die Einzelheiten meinen Untergebenen.«
»Sie müssen ziemlich zufrieden mit den Ergebnissen sein.«
»Sehr zufrieden.«
»Sie haben es immer noch nicht mitgekriegt, oder?«
»Ich bitte um Verzeihung?«
»Ich nehme an, niemand hat Sie ins Bild gesetzt. Ich will ganz offen sein. Robert Neiman ist nicht einfach umgebracht worden. Es war ein geplantes Attentat. Wer immer dafür verantwortlich ist, wollte Robert Neiman sehr tot sehen und außerdem alle Welt wissen lassen, daß er dies wollte. Ihr Mister Neiman ist offenbar der falschen Person in die Quere gekommen. Irgendeine Ahnung, wer das sein könnte?«
Ohara starrt Kirkland für einen Augenblick an, dann wendet er langsam den Blick ab. Die Bemerkungen des Lieutenants zielen offenbar darauf ab, ihn aus der Fassung zu bringen und dazu zu verleiten, irgend etwas Enthüllendes auszuplaudern. Anscheinend glaubt der Lieutenant nichts unbesehen. Diese Eigenschaft kann ihn trotz seiner unbeholfenen Technik gefährlich machen. »Ich kann mir wirklich niemanden vorstellen. Der Grund gehabt haben könnte, Bob zu töten, meine ich. Natürlich Weiß ich nichts über sein Privatleben.«
»Aha. Nun, lassen Sie mich dazu folgendes bemerken: Wenn jemand so stirbt wie Robert Neiman, soll dies in der Regel als warnendes Beispiel dienen. Was nichts anderes heißt als: ›Das passiert mit dir, wenn du das Falsche tust.‹ Wenn ich Sie wäre, würde ich mir zumindest ein paar Gedanken machen, wer in diesem Konzern sonst noch als Ziel für einen Anschlag in Frage kommt. Zwei Assistenten Neimans, der leitende und der für die Datenbeschaffung zuständige, sind beide mit ihm getötet worden. Das kann ein Zufall sein, es kann aber auch auf eine Konzernverbindung hindeuten. Ich würde vorschlagen, Sie gehen kein Risiko ein und verschärfen die Sicherheit hier. Teilen Ihrem Schlüsselpersonal vielleicht sogar Leibwächter zu.«
»Ja, gewiß... ich verstehe, was Sie meinen. Ich gebe Ihre Empfehlungen an unseren Sicherheitschef weiter. Vielen Dank, Lieutenant.«
Ohara steht auf. Kirkland versteht den Wink, tritt an den Schreibtisch heran und streckt den Arm aus, um Ohara die Hand zu schütteln. »Im Zuge unserer Ermittlungen«, sagt Kirkland, »könnte es sein, daß ich Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt noch ein paar Fragen stellen muß.«
»Ich stehe Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.«
»Vielen Dank für Ihre Zeit.«
Der Lieutenant verläßt das Büro durch die Verbindungstür. Enoshi steht in der Tür und wirft einen Blick in Oharas Büro. Ohara winkt ihn herein. Wie üblich bleibt Enoshi mehrere Schritte vor dem Schreibtisch stehen, das Gesicht ausdruckslos, die Arme herabhängend, die Haltung die eines rangniedrigen Soldaten, der seine Befehle erwartet.
»Leiten Sie die Operation Großreinemachen ein.«
Enoshi zögert. »Sir, das ist aber eine sehr drastische...«
»Stellen Sie meine Entscheidungen nicht in Frage!«
Ohara stemmt die Hand gegen die Schreibtischkante und schwingt seinen Stuhl herum, so daß er die ausgedehnte Fensterfront zum KFK-Plaza vor Augen hat. Sich in der ersten Arbeitsstunde des Tages mit einem rebellischen Angestellten auseinandersetzen zu müssen, reicht völlig. Die Möglichkeit, daß eine Polizeiuntersuchung etwas zu Tage fördert, das besser im dunkeln bliebe, strapaziert seine Toleranz bis an ihre äußerste Grenze.
»Tun Sie es einfach, verdammt noch mal! Großreinemachen, und zwar sofort!«
»Jawohl, Sir«, erwidert Enoshi. »Sofort.«
12
In dem Zimmer ist es still, und es riecht nach Urin, Schweiß und den feuchten Ausdünstungen von
Sex. Raman hebt verstohlen den Kopf, um sich umzusehen, dann steigt er aus dem Bett und geht zuerst zur Tür, dann zum Fenster, ein mächtiges Messer, Modell Drachentöter, in der Hand. An der Tür hört er nichts, und ein rascher Blick auf den Flur enthüllt nur die Dunkelheit und den Verfall, der in diesem Haus auf Philadelphias Nordseite herrscht. Das einzige Fenster blickt auf eine abfallübersäte Gasse.
Nichts rührt sich. Die Dämmerung geht in die Nacht über.
Die nackte Frau auf dem Bett murmelt etwas, erwacht aber nicht. Raman beobachtet sie eine Weile. Sie hat viel Alkohol getrunken, so daß sie stark berauscht war und ihm Dinge erzählt hat. Sie nennt sich Angel, aber das ist nur der Name, mit dem sie in der Matrix des
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