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Die Attentäterin

Die Attentäterin

Titel: Die Attentäterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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einzige Zugang zu dem Ort ist, dem sie heute nacht einen Besuch abstatten wollen. Hammer macht sich keine Sorgen wegen möglicher Zeugen. Nördlich der Spring Garden Street und der Innenstadt gibt es keine Zeugen. Nur Banden, Verrückte, Motorradgangs und Punks. Hammer würde es vorziehen, daß ihnen niemand in die Quere kommt, weil es einfach bequemer wäre.
    Der Streit hinten im Lieferwagen wird lauter. Das Problem ist weniger Dana als vielmehr Mickey. Sie alle wissen, daß Dana sie auf die Palme bringt. Sie und Dog Bite können sich den ganzen Tag und die ganze Nacht lang streiten, würden dabei jedoch eine gewisse Grenze nie überschreiten. Aber sobald Mickey sich einmischt, gerät alles außer Kontrolle. Mickey ist es einfach egal. Einfach alles. Und das bringt Dana wirklich auf die Palme.
    Hammer dreht sich um, sieht nach hinten und entsichert seine Ingram Smartgun. Das metallische Klacken läßt sie innehalten. »Showtime.«
    Dana sieht ihn flehentlich an. Hammer nimmt es gelassen, ebenso gelassen wie den letzten Zug von seiner Zigarette.
    »Hammer«, sagt sie.
    »Erledige deinen Teil. Das ist alles.«
    Ihre Augen nehmen einen Ausdruck der Resignation an.
    Axle fährt den Wagen ihrem Ziel entgegen.
    In Nordostphilly erinnert mehr als in jedem anderen Stadtteil an die Nacht des Zorns, als Menschen und Metamenschen auf den Straßen aufeinanderprallten und die Nacht in ein flammendes Inferno verwandelten. Selbst nach fünfzehn Jahren sind die Narben noch offensichtlich. Block um Block von zwei- und dreigeschossigen Reihenhäusern tragen klaffende Wunden, sind geschwärzt und ausgebrannt, viele zu Ruinen aus bröckeligem Mauerwerk, verkohltem Holz und schwarzer Asche reduziert. Der Schutt eingestürzter Häuser und Berge stinkenden Abfalls quellen aus den Seitengassen auf die Hauptstraßen. Ausgebrannte Autowracks stehen am Straßenrand. Die einzige Straßenbeleuchtung stammt von den Feuern aus den Blechtonnen der Penner.
    Vor diesem Hintergrund der Zerstörung wirkt der heutige Job wie ein Regentropfen im Ozean.
    Das Ganze nennt sich Großreinemachen.
     
    Mit ausgeschalteten Scheinwerfern biegt der Lieferwagen in eine breite Gasse ein. Der Eingang zu ihrem Bestimmungsort befindet sich zehn Meter weiter hinten, eine schwarze Metalltür im Gebäude auf der rechten Seite. Sie streifen alle Nachtsichtbrillen mit Head- Up-Display und Kopfsets über, die die Ohren zur besseren Abschirmung gegen äußere Störeinflüsse vollständig bedecken. Alle außer Dana. Die Magierin braucht diese Art Schutz nicht.
    Sie steigen aus. Axle läßt den Motor laufen, falls sie einen schnellen Abgang machen müssen. Hammer schickt Mickey und Dog Bite auf die linke Seite der schwarzen Metalltür und behält sich die rechte Seite selbst vor. Dana stellt sich direkt vor die Tür.
    Sie hebt die Hände vor das Gesicht, als wolle sie beten, dann macht sie irgend etwas mit ihren Fingern, verschränkt sie, faltet sie, bildet Pyramiden, Dreiecke, Kreise, komplizierte Schleifen zwischen den einzelnen Konfigurationen. Sie nennt diese Fingerzeichen die Emblemologie der Macht. Hammer ist das ziemlich egal. Nicht egal ist ihm, daß das, was sie tut, funktioniert.
    Der Raum zwischen Dana und der Tür beginnt zu flimmern und zu wabern wie heiße Sommerluft über einer Straße. Die Tür nimmt einen wächsernen Glanz an. Der Glanz beginnt zu fließen, ergießt sich nach unten wie ein Wasserfall, mit dem Unterschied, daß das Wasser die Substanz der Tür ist. Im nächsten Augenblick gibt es keine Tür mehr, nur noch eine schwarzglänzende Pfütze, die träge die Gasse entlangfließt.
    Dana schwankt, holt sichtbar tief Luft und streicht sich dann das Haar aus dem Gesicht. Feste Materie zu verflüssigen, ist sehr anstrengend für sie. Was zu tim bleibt, ist wesentlich leichter.
    Hammer zeigt auf die dunkle Öffnung des Eingangs.
     
    Dana nickt und macht weitere Fingerzeichen.
    Die Musik, die gleißenden Lichter, das unheilvolle Geplapper von Stimmen - Rufen, Schreien, Fluchen all das setzt mit einem Schlag ein. Hammer kann das Spektakel dank Brille und Kopfset weder sehen noch hören, aber er weiß, wie es ist. Tausend Scheinwerfer, die einem alle gleichzeitig direkt in die Augen leuchten. Tausend Wahnsinnige, die einem direkt ins Ohr brüllen. Man kann nicht mehr denken, man kann nicht mehr kämpfen, man weiß nicht, was, zum Teufel, überhaupt los ist. Hammer gestikuliert mit der Ingram. Mickey flitzt durch den Eingang und in die Dunkelheit dahinter.

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