Die Attentäterin
Kirkland fragt sich, was eigentlich vorgeht. Konzerne sind normalerweise ganz groß im Reden und ganz klein im Handeln, soweit es Polizeiermittlungen betrifft.
»Okay, es geht um folgendes«, sagt er, nachdem er sich spontan entschlossen hat, jedes Hilfsangebot anzunehmen, das ihm gemacht wird. »Ich untersuche die Morde an Robert Neiman und ...«
Weiter kommt er nicht. MacFarlane unterbricht ihn: »Ja. Lieutenant. Ich weiß.«
Sie ist informiert. Kirkland weiß nicht, ob das impliziert, daß MacFarlane über alles im Bilde ist. Aber er macht sich Gedanken deswegen. »Dann wissen Sie vielleicht auch, daß ich gewisses Informationsmaterial vom Verantwortlichen Leiter Exotechs, einem Mister Bernard Ohara, angefordert habe. Dinge wie Personalakten, Daten über die Abteilung Sonderprojekte, Informationen, die für meine Ermittlungen von entscheidender Bedeutung sein könnten.« Ohne auf MacFarlanes Antwort zu warten, fügt er hinzu: »Bis jetzt habe ich allen Grund, mich über mangelnde Zusammenarbeit zu beklagen.«
MacFarlanes Miene drückt jetzt gedämpfte Überraschung aus. »Sie haben diese Anforderung an Mister Ohara persönlich gerichtet?«
»Ja. Von Angesicht zu Angesicht.«
Noch einmal der sehr gedämpfte Ausdruck der Überraschung. Gleich darauf wieder die betont interessierte Miene. »Sagen Sie mir, welche Informationen genau Sie gerne hätten, Lieutenant.«
Beides gemeinsam, ihre Miene und ihr Ersuchen, überzeugt Kirkland, daß tatsächlich etwas hinter den Kulissen von KFK International vorgeht. Was das ist, darüber kann er nur spekulieren. Sein Hauptinteresse gilt der Abteilung Sonderprojekte: Wer hat dort gearbeitet? Wann? Woran haben sie gearbeitet? Außerdem will er Personalakten von allen toten Execs und ihren Mitarbeitern, sowohl den lebenden als auch den verstorbenen. Er rasselt seine Liste herunter.
MacFarlane sagt: »Ich muß Ihnen sagen, Lieutenant, daß Kono-Furata-Ko stolz darauf ist, ein verantwortungsbewußter Konzern zu sein, und daß es immer zur Konzernpolitik gehört hat, bei allen offiziellen Untersuchungen legitimierter öffentlicher Behörden wie der Polizei uneingeschränkt zu kooperieren.«
Kirkland nickt, er hat ähnliche Reden schon des öfteren gehört.
»Lassen Sie mir eine Stunde Zeit«, sagt MacFarlane.
Kirkland ist so überrascht über den Zeitrahmen, daß er zögert, und dann ist es zu spät, um noch zu antworten. Sie unterbricht die Verbindung. Der Schirm wird schwarz. Er nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Dann öffnet sich die Tür zu seinem Büro, und Captain Henriquez, der Leiter der Mordkommission, Bezirk Mitte, marschiert herein. Henriquez' Büro ist zwei Türen weiter. Kirkland zündet sich eine Zigarette an der Glut der letzten an und lehnt sich zurück.
»Wie ist es gelaufen in Germantown?« fragt Henriquez.
»Es sieht so aus, als würden die Dinge schlimmer, bevor sie besser werden.«
»Besser? Eher werden wir beide zur Verkehrswacht versetzt, bevor das passiert.« Henriquez sinkt auf einen der beiden Plastikstühle vor Kirklands Schreibtisch. »Wo stehen wir jetzt?«
Kirkland verkneift sich die erste Antwort, die ihm in den Sinn kommt, und sagt nur: »Ich wollte gerade die ganze Mannschaft zu einer Besprechung zusammentrommeln.«
»Aha. Na, wenn das so ist, komme ich später noch mal wieder.«
»Gut.«
Fünf Minuten später ist Kirklands winziges Büro- Kämmerchen mit der Hälfte aller Beamten des Morddezernats, Bereich Mitte, vollgestopft. Alles in allem knapp vierzig Personen. Nicht viel in einem Metroplex mit gut drei Millionen Einwohnern, und das ist nur die offizielle Bevölkerung.
»Wer hat was?« sagt Kirkland.
Drei oder vier fangen gleichzeitig an zu reden, dann verstummen sie und reden einer nach dem anderen wie brave Jungen und Mädchen. Sie sind den unzähligen Spuren, Möglichkeiten und zarten Andeutungen von Indizien nachgegangen, die vielleicht zur Aufklärung der Mordserie an Exotech-Execs führt. Bisher ist es ihnen gelungen, die meisten freischaffenden Kick-Artisten Philadelphias sowie den größten Teil der bekannten Yakuza-, Mafia- und Seoulpa-Vollstrecker als Verdächtige zu eliminieren. Außerdem haben sie auch die meisten Blutsverwandten, Freunde und Bekannten der Opfer eliminiert. Das ist zwar ein guter Anfang, aber noch nichts, wofür Captain Henriquez oder sonst jemand ein dankbares Schulterklopfen vom Bürgermeister erwarten kann.
Detective-Sergeant Lisa Wu rasselt die gegenwärtigen Daten über
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