Die Attentäterin
Manisch-Depressive mit masochistischem Schuldwahn, oder weiß sie tatsächlich etwas?
»Wie heißt sie?«
»Dana Giachetti. Sie ist eine Magierin.«
Kirkland wünscht, er hätte eine Zigarette für jede abgetakelte Nutte, die er das von sich hat behaupten hören. Er könnte einen Tabakladen eröffnen. Jedenfalls sagt ihm der Name nichts. Kirkland kommt zu dem Schluß, daß dieses Problem bei Murphy in guten Händen ist. »Delgato ist ein Mafialaden, richtig?«
»Ja.«
»Finden Sie heraus, ob es da eine Verbindung gibt. Wenn die Mafia ein Talent wie Striper bemüht, steht uns vielleicht ein neuer Bandenkrieg bevor. Schließen Sie sich mit der Abteilung Organisiertes Verbrechen und dem DEA zusammen. Setzen Sie jemanden darauf an. Quetschen Sie das Mädchen gründlich aus, und dann holen Sie einen ADA und quetschen sie weiter aus. Wenn sie verschwinden will, klagen Sie sie der Mittäterschaft an und buchten sie ein.«
»Chef, das ist heute nicht mein erster Tag hier.«
»Erzählen Sie mir mehr davon. Aber ein andermal, Murphy!«
Kirkland geht bereits weiter den Gang entlang. Murphy schließt den Mund, lächelt, nickt und winkt, als wolle er sein Okay signalisieren. Murphy ist ein guter Detektiv, er braucht nur zu lange, um Dinge zu erklären. Kirkland hat in jedem Augenblick fünftausend Dinge im Kopf, und weitere zehntausend, die eigentlich seine sofortige Aufmerksamkeit verlangten, gehen einfach den Bach herunter.
Hat Striper Robert Neiman und die anderen Exotech-Execs umgelegt? Hat Exotech daraufhin einen Kick-Artist namens Hammer angeheuert, um Striper aus Rache zu erledigen? Ist irgendeine dieser Personen oder Organisationen in eine Sache verwickelt, von der Kirkland vielleicht noch nicht das geringste gehört hat?
Kirkland grunzt.
Das einzige, was er mehr haßt als unbeantwortete Fragen, ist die Aussicht auf unbeantwortete Fragen, die noch mehr Fragen aufwerfen. Er hätte Automechaniker wie sein Vater werden sollen.
Der nach hinten führende Gang wird von einer mit Teppich ausgelegten Fläche flankiert, wo die fünf zivilen Datenbeschaffer der Abteilung untergebracht sind. Kirkland geht so rasch an ihnen vorbei, daß er seine Bürotür bereits hinter sich geschlossen hat, bevor einer von ihnen zu ihm aufsehen kann. Er stellt die Kaffeemaschine an, setzt sich hinter seinen Schreibtisch, drückt seine Zigarette aus und zündet sich sofort eine neue an. Tief inhalierend, schaltet er das Telekom ein. Die Einheit hat einen Monitor, einen integrierten Computer und das städtische Telefonbuch in ihrem Speicher.
Er drückt ein paar Sensortasten. Die Verbindung-wird-hergestellt-Maske des Lokalen Telekommunikationsgitters erscheint auf dem Monitor. Zwei Klingelzeichen, und eine attraktive Blondine ersetzt die Maske. »Guten Tag, KFK Plaza, mein Name ist Melissa«, sagt sie mit melodischer Stimme. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
»Mister Torakido, bitte.«
»Wen darf ich melden?«
Kirkland hält sein Abzeichen vor die Kameralinse. »Lieutenant Kirkland, Morddezernat.«
»Einen Augenblick, Sir. Ich verbinde.«
Die Blondine weicht einer Luftaufnahme des KFK- Hauptquartiers, das mitten in einer ausgedehnten, welligen Rasenlandschaft steht, die, wie ihn eine Stimme informiert, irgendwo in der Nähe Tokios gelegen ist. Das Video, das von Orchestermusik begleitet wird, fährt fort, von der humanitären Philosophie KFK International zu erzählen. Es läuft jedoch nicht so lange, daß Kirkland die zahlreichen Verbesserungen in der Lebensqualität der gesamten Menschheit mitbekommt, für die die Organisation verantwortlich ist. Das ist es nämlich, was in Promostreifen wie diesem als nächstes kommt.
Statt dessen erscheint eine Brünette auf dem Schirm, die so attraktiv ist, daß wahrscheinlich ein kleines Vermögen für kosmetische Chirurgie in sie investiert worden ist. Kirkland sieht sehr genau hin, kann aber nicht den winzigsten Makel in ihren dunkelblauen Augen und ihrem gebräuntem Teint entdecken.
»Guten Tag, Lieutenant«, sagt sie mit wohlkingender Stimme und britischem Akzent. »Ich bin Theona MacFarlane, Mister Torakidos Privatsekretärin. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich würde gerne mit Ihrem Boss reden«, sagt Kirkland.
»Mister Torakido befindet sich gegenwärtig nicht in seinem Büro. Vielleicht kann ich weiterhelfen.«
Die Worte und ihr Tonfall verraten nichts, aber die Miene der Frau ist betont interessiert, als hätte sie den ganzen Tag nur herumgesessen und auf seinen Anruf gewartet.
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