Die Aufsteigerin
Türsteher, die für ihn arbeiteten. Auf dem Weg zur Dean Street grinste er selbstzufrieden, weil sie ihm den gebührenden Respekt erwiesen hatten.
Es war früh am Abend, langsam wurde es lebendig in der Gegend, und die bunten Neonlichter flammten auf, um die Nachtschwärmer anzulocken. Victor liebte Soho, ohne jede Einschränkung, und er hatte den alten Joey wirklich gemocht. Aber nach dessen Abgang konnte sich hier jeder bedienen, der auch nur ein bisschen Grips mitbrachte. Und Victor besaß im Überfluss davon.
Als der Wagen neben ihm hielt und er einen Gruß hörte, drehte er sich gut gelaunt um, denn er hatte die Stimme erkannt und fühlte sich sicher. Sein alter Partner Demetrious Scalpie lächelte ihm zu, und Victor erwiderte das Lächeln. Scalpie war ein kleiner Ganove, ein Grieche mit maltesischer Mentalität und
einer Ehefrau aus Malta. Victor wartete darauf, mit der gebührenden Ehrerbietung begrüßt zu werden.
Das Leben war schön und Victor war glücklich.
Als der Schuss ihn in die Brust traf, dachte er zuerst, es sei Einbildung. Er spürte nicht den geringsten Schmerz, sondern nur eine Schwere, die ihn nach hinten drückte. Der zweite Schuss traf ihn in die Schulter und riss ihm beinahe den Arm ab. Fassungslos starrte er auf das strömende Blut und dann auf Scalpie. Dessen Gesicht verzerrte sich zu einem Grinsen, als er die Waffe auf den Kopf seines Freundes richtete.
Darauf nahm Victor nichts mehr wahr.
Desrae lächelte Eamonn an, und der erwiderte sein Lächeln. Bei beiden wirkte es gezwungen, aber Cathy war schon froh, dass sie ihre Antipathie nicht offen zeigten. Sie schenkte ihnen zu trinken ein und verschlang Eamonn mit Blicken. Er machte Konversation mit Desrae und sah an diesem Abend besonders attraktiv aus.
Das Telefon läutete, und Desrae ging ran. Als er registrierte, was man ihm mitteilte, weiteten sich seine Augen. Er legte auf, sah Cathy an und schüttelte ungläubig den Kopf. »Victor, der Malteser, ist tot. Was sagst du bloß?«
Eamonn grinste selbstgefällig. »In der Old Compton Street niedergeschossen, vor ungefähr einer Stunde, ja?«
Desrae musterte ihn. »Woher weißt du das?«
»Weil ich es veranlasst habe. Ich hab Erkundigungen über dich eingeholt, Desrae, und weiß, dass du schweigen kannst. Stimmt’s?«
Cathy und Desrae nickten.
»Cathy zu Gefallen hab ich ihn erledigen lassen. Ich weiß, dass Joeys Tod ein Schlag für euch war und ihr ein bisschen Rückhalt nötig habt. Entsprechenden Schutz hab ich für euch arrangiert. Ich hatte beim Mord an O’Hare die Hand im Spiel, aber das war eine persönliche Sache und hatte mit Joey nichts zu
tun. Ohne es zu wissen, hab ich euch allen einen Gefallen getan.« Eitel labte er sich an ihrer Aufmerksamkeit.
Desrae war fasziniert. »Aber du lebst doch in New York. Was, zum Teufel, schert dich denn O’Hare?«
»Ich hab drüben in den Staaten mit dem organisierten Verbrechen zu tun, und unser Gewerbe reicht auch nach England. Selbstverständlich habe ich Geschäftsinteressen in New York, aber meine wichtigsten Unternehmungen laufen hier, in der guten alten Heimat.« Er lächelte, um die Wirkung der nächsten Worte zu mildern. »Ich bin mit der IRA verbunden.«
Cathy bekam den Mund nicht zu. »Aber das sind doch Terroristen. Eine Bande von Fanatikern … Was, zum Teufel, hast du mit denen zu tun? Du hast es doch gehasst, ein halber Ire zu sein, und wolltest es nie offen zugeben. Was hat sich verändert?«
Eamonn antwortete mit gesenktem Kopf. »Hier gelten sie als Terroristen. In der irischen Gemeinde von New York werden sie aber als Helden verehrt, als tapfere Soldaten. Ich treibe Geld für sie ein, Cath, und das ist Big Business. Nur die Stärksten lassen sie für sich arbeiten.« Er glaubte sich verteidigen zu müssen, und das behagte ihm gar nicht.
Cathy wurde kreidebleich. »Mörder sind sie und nichts anderes. Bei ihrem letzten Bombenanschlag wurden unschuldige Menschen getötet …«
Eamonn lachte leise. »So, und Joey und Leute wie er sind keine Mörder? Ich hätte nie gedacht, dass du so scheinheilig sein kannst, Cathy.«
Sie stand auf und ging im Zimmer auf und ab.
»Was du sagst, interessiert mich nicht. Männer wie Joey beschränken sich darauf, ihresgleichen umzubringen. Ich will ja nicht sagen, dass es richtig ist, aber Joey Pasquale hätte niemals dort eine Bombe gelegt, wo Frauen und Kinder verletzt oder verstümmelt werden könnten. Nie hätte er das getan. Er lebte als Verbrecher und, Gott sei ihm
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