Die Aufsteigerin
traf Tommy noch am selben Abend. Es war bereits halb zwölf, und er hatte sie im Club aufgespürt. Sie saß allein an einem der Tische und trank Cola mit Cognac. Er sah gleich, dass sie angetrunken war. Desrae hatte ihn über die Ereignisse des Tages aufgeklärt, aber seine Ahnung, dass Cathy mit Docherty geschlafen hatte, lieber für sich behalten. Jetzt wollte Tommy bei ihr sein, mit ihr reden und versuchen, sie aufzuheitern.
Als Cathy zu ihm aufblickte, fiel ihr zum ersten Mal auf, was für ein gut aussehender Mann er war. Sie bedachte ihn mit einem schiefen Lächeln.
»Ich ahnte doch, dass ich dich hier finden würde«, sagte Tommy, ebenfalls lächelnd.
»Schenk dir was ein, Tommy. Ich bin schon ein bisschen angeheitert.«
»Das ist wohl die Untertreibung des Jahres.«
Cathy lachte, aber es klang verloren und einsam. »Du bist jetzt also auch in der IRA, was?«, fragte sie gequält und mit schwerer Zunge. »Scheint so, als wäre jeder, den ich kenne, ein heimlicher Terrorist.« Sie richtete sich auf, um beherrscht und nüchtern zu wirken. »Ich muss nächste Woche nach Acton, um einen Club zu inspizieren. Könntest du bitte dafür sorgen, dass mir auf dem Weg keine Bomben unterm Hintern explodieren? Ich würde ja Eamonn fragen, aber der würde mir im Moment wohl eher eine Bombe unter den Hintern legen.«
Tommy schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Hast du echt geglaubt, ich würde mich darauf einlassen? Vergiss es. Docherty hat zu früh gewettet, Süße. Ich könnte bei so was nie mitmachen. Niemals.«
Cathy sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Ehrlich? Erzählst du mir ganz ehrlich keinen Scheiß?«
Tommy legte eine Hand auf ihre. »Würde ich dich bei einer so ernsten Sache belügen? Cathy, du sprichst jetzt mit mir, mit Tommy, und nicht mit deinem Docherty. Ich wollte nichts mit denen zu tun haben und hab lange gebraucht, sie davon zu überzeugen, dass ich nichts ausplaudere. Glaub mir, ein paar Mal hab ich gedacht, mein letztes Stündchen hat geschlagen. Das sind harte Burschen.«
Cathy war so erleichtert, dass sie weiche Knie bekam. »Tommy, wenn ich denken müsste, dass du was mit denen zu tun hast, würde ich dich hassen bis an mein Lebensende. So viele Tote, all das Morden.« Die Tränen standen ihr in den Augen. »Wie kann Eamonn nur dabei mitmachen? Wie kann er meinen, dass er etwas Rechtes tut, etwas Anständiges? Er verdient Geld am Kummer und am Leid anderer Menschen …«
Tommy nahm sie in die Arme und wiegte sie tröstend. »So bin ich nicht, Cathy, das weißt du. Ich bin nur ein ganz normaler Gangster. Nicht mehr und nicht weniger. Scheiße - nie könnte ich bei denen mitmischen. Also vergiss es, okay? Docherty ist aus deinem Leben verschwunden. Sei froh, dass dir diese Laus nicht mehr im Pelz sitzt.«
Wider Willen musste Cathy lachen. »Ich liebe dich, Tommy Pasquale. Du bist ein guter Mann.«
Obwohl sie so betrunken war, klangen ihre Worte wie Musik in seinen Ohren. Er liebte sie, und die Nacht, die er mit ihr verbracht hatte, nachdem man seinen Vater ermordet hatte, war bei aller Trauer die schönste seines Lebens gewesen.
»Es kann nur besser werden, Cathy. Wir haben einander und unsere Jugend und die Chance, zusammen etwas aus unserem Leben zu machen. Lassen wir alles andere hinter uns, hm? Gehen wir nach Hause.«
Cathy schmollte. »Ich will noch nicht. Ich will die Wohnung nicht sehen, ich will Desrae nicht sehen, ich will gar nichts sehen.«
Plötzlich machte sie ein ernstes Gesicht. »Meinst du, ich soll Gates anrufen und ihm von Eamonn erzählen?«
Tommy reagierte nervös. »Das ist das Letzte, was du tun solltest! Schlag es dir aus dem Kopf!«
Jetzt wurde Cathy aggressiv. »Was redest du da? Er steckt doch bis zum Hals drin. Ich finde, in diesem Fall wäre es okay, ihn zu verpfeifen. Denk an die Menschen, die mit Eamonns Hilfe verwundet, getötet oder verstümmelt worden sind.« Sie wollte aufstehen und musste sich dazu an der Tischkante festhalten. »Ich werde auf der Stelle Gates anrufen und ihm sagen, wo der Dreckskerl ist. Ich werd’s ihm zeigen, diesem elenden Mörder.«
Tommy zog sie auf den Schoß und drückte sie fest an sich. »Cathy … Cathy, Kleines, sei nicht dumm. Die bringen dich um, bevor du dich versiehst. Diese Leute kennen keine Skrupel. Du würdest nur dir selbst schaden. Für jeden Eamonn, der hinter
Gitter wandert, kommen zwanzig neue aus den Löchern. Also lass es, Mädchen. Wir trinken noch was, und danach tun wir alles, was du
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