Die Aufsteigerin
Cathy schon fröhlicher. »Solange das Kind mich hat und dich, wird es ihm immer gut gehen.«
Desrae lächelte, aber es gab ihm doch zu denken, dass der arme Tommy anscheinend gar nicht mehr auf der Rechnung war.
Stillvergnügt vor sich hin summend, ging Desrae Cathy wecken. Er klopfte an die Tür und trat ein. Als er die junge Frau ansah, die im Lauf der Jahre wie sein eigen Fleisch und Blut geworden war, fühlte er Tränen der Rührung aufsteigen. Sie sah so kindlich aus, so wunderschön im Schlaf, dass Desrae auf ein Gemälde oder eine Skulptur zu blicken meinte. Er stellte das Frühstückstablett mit Tee und Toast am Bett ab und weckte Cathy mit einem sanften Schütteln.
»Komm, Schlafmütze. Heute ist dein großer Tag.«
Cathy, die von Eamonn geträumt hatte, von einem schönen Heim und einem liebreizenden Baby, öffnete die Augen und brach in Tränen aus.
Desrae nahm sie fest in die Arme. »Das ist nur die Aufregung am Tag der Hochzeit, Süße. Komm, iss schön dein Frühstück, und ich lass dir ein Bad ein. Danach sieht alles besser aus.«
Aber das stimmte nicht, und sie wussten beide, warum.
Beim Hochzeitsempfang im Club waren sämtliche Mädels als Überraschungsgäste aufgetaucht, und Cathy war sehr froh darüber. Casper, der Trauzeuge, hielt eine Rede.
»Ich weiß, dass ihr alle Cathy ins Herz geschlossen habt wie ich auch. Wir wünschen ihr Glück und Gesundheit, und das gilt auch für Tommy - ein ganzer Mann und der Sohn seines Vaters.«
So mancher spürte einen Kloß im Hals, und alle klatschten Beifall. Casper wusste, dass er den richtigen Ton getroffen hatte.
»Desrae sieht ein wenig wie die Brautmutter aus, aber gleichzeitig auch wie der Brautvater …«
Alle lachten außer Desrae, und deswegen sprach er schnell weiter. »Ich kann euch zum Schluss nur noch viele Jahre des Glücks und viele hübsche Kinder wünschen. Die natürlich alle nach uns genannt werden.«
Nochmal wurde Beifall geklatscht, und anschließend küssten alle Gäste die Braut und gratulierten dem Bräutigam. Tommy war nicht der Typ, sich von Transvestiten küssen zu lassen, und das wurde von allen respektiert. Die meisten der Mädels hatten es höchstens einmal auf einen Handschlag mit ihm gebracht.
Der Empfang bekam Schwung, als Animierdamen, Rausschmeißer, Türsteher und diverse Besucher eintrafen, beladen mit Geschenken und kübelweise Champagner. Der festliche Trubel war ansteckend, und Cathy fühlte sich doch noch glücklich. Tommy war so begeistert, dass seine Augen vor Freude strahlten, und sie erkannte, dass sie das Richtige getan hatte. Er würde ein guter Vater sein und auch ein guter Ehemann. Wie Desrae gesagt hatte - sie hätte es viel schlechter treffen können.
Nach zwei Gläsern Champagner beschloss sie, vor der Tür ein wenig frische Luft zu schnappen. Sie musste durch den dunklen Laden und stellte verblüfft fest, dass der Abend bereits angebrochen war. Als sie die Ladentür öffnete und auf den Gehsteig treten wollte, griff eine Hand nach ihr und hielt sie zurück. Bevor sie schreien konnte, sagte eine Stimme: »Keine Angst, ich bin es.«
Richard Gates hatte sie am allerwenigsten erwartet. Sie wandte sich zu ihm um und lächelte erfreut.
»Susan hat gesagt, dass Sie vielleicht vorbeikommen würden. Wie geht es Ihnen denn?« Ihr fiel ein, dass sie ihn schon lange nicht mehr gesehen hatte, viel zu lange nicht.
»Mir geht es gut. Und wie kommt man sich so als Ehefrau vor? Anders?«
Sie lächelte verzagt. »Nein, eigentlich nicht. Ich komm mir immer noch vor wie Cathy Connor. Ich glaube, das wird sich nie ändern. Natürlich wird es eine Weile dauern, bis ich mich an Pasquale gewöhnt hab. Übrigens hab ich gehört, dass ich mich
bei Ihnen für eine Geburtsurkunde und alles bedanken darf. Das war sehr nett von Ihnen.«
Richard wirkte verlegen. »Nimm es als ein kleines Hochzeitsgeschenk.«
Sie berührte ganz kurz mit der Hand seine Wange. »Sie sind schon immer so gut zu mir gewesen. Schon als ich als Kind den ganzen Ärger hatte, haben Sie mir aus der Patsche geholfen. Sie wussten doch, dass ich es gewesen war, oder? Susan P. hat mich beschworen, Ihnen niemals zu erzählen, was genau geschehen ist. Ich missachte diesen Rat, weil ich mich glücklich schätze, Sie als Freund zu haben. Obwohl Sie doch ein alter Bulle sind.« Sie lachte, um keine Sentimentalität aufkommen zu lassen.
»Darf ich die Braut küssen, oder muss ich erst deinen Ehemann um Erlaubnis fragen?«
Cathy lachte.
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