Die Aufsteigerin
schon genug Mühe, überhaupt zu atmen. Reste des Erbrochenen hatten sich in Hals und Nase gesammelt, und da sie mit gefesselten Armen auf dem Rücken lag, rang sie nach Luft.
Die Frau hatte sich aufgesetzt. Außer sich vor Wut versetzte sie dem wehrlosen Mädchen einen heftigen Schlag ins Gesicht.
Bevor sie wieder ohnmächtig wurde, dachte Kitty an ihre Mutter. Sie fragte sich, ob Cathy wohl nach ihr suchte, ob sie überhaupt wusste, dass jemand sie an der Schule abgefangen hatte.
Die Frau wollte sich gerade säubern, als sie Lärm aus dem anderen Zimmer hörte. Vorsichtig öffnete sie einen Spaltbreit die Tür. Nebenan herrschte das reine Chaos. Überall tummelten sich Menschen, uniformierte Polizisten, Kriminalbeamte in Zivil und mindestens zwei Transvestiten, wie sie trotz ihrer panischen Angst verblüfft wahrnahm.
Sie schloss die Tür und sah sich um. Nachdem sie die Vorhänge zur Seite gezogen hatte, wollte sie das Fenster öffnen. Doch es war zugenagelt. Das verstand sich von selbst, oder? Immerhin hatte es Kinder gegeben, die aus dem Fenster gesprungen waren und dadurch für das abrupte Ende einer Party gesorgt hatten.
In höchster Angst warf sie hektische Blicke um sich. Wenn sie hier allein mit dem Mädchen gefunden wurde, das inzwischen zu röcheln und zu keuchen begonnen hatte, konnte sie sich begraben lassen. Nicht nur ihr Job, sondern auch ihr Status in der Öffentlichkeit und in der Kirchengemeinde sowie ihr Ansehen bei den Nachbarn standen auf dem Spiel.
Sie nahm ein Stück Kaminholz und schickte sich an, das Fenster einzuschlagen. In dem Moment wurde die Tür aufgestoßen, und plötzlich stand dieser Strichjunge Johnny vor ihr. Er schrie so laut er konnte: »Hier drin ist das Mädchen! Kommt her, sie kriegt keine Luft mehr!«
Im nächsten Moment kniete er schon auf dem Bett und machte sich daran, die Fesseln an Kittys Handgelenken zu lösen. Die grässlich geschminkte Lesbierin stand wie erstarrt daneben, als eine kleine Blondine ins Zimmer stürzte, und sie wusste sofort, dass es die Mutter des Mädchens war. Nur eine Mutter
konnte so wild entschlossen und hasserfüllt um sich blicken, wenn sie die Person vor sich hatte, die ihrem Kind etwas antat.
Der Junge richtete das Mädchen auf, und die kleine Blondine wischte ihr das Gesicht ab, säuberte ihr Mund und Nase. Plötzlich hustete das Mädchen und holte keuchend Luft. Erst jetzt dämmerte der Frau, dass die Kleine beinahe gestorben wäre, erstickt an ihrem Erbrochenen.
Sie sah wie gebannt zu, wie die Blondine ihre kleine Tochter in die Obhut des Jungen gab, vom Bett aufstand und durchs Zimmer auf sie zukam. Sie war so winzig wie ein kleines Püppchen.
Die Lesbierin war groß und massig. Sie hatte ein breites Gesicht, dessen Wangenknochen slawische Vorfahren verrieten. Ihre ausladenden Hüften und klobigen Schenkel waren die einer Arbeiterin.
Sie war stark.
Aber nicht stark genug für diese Frau in ihrer rasenden Wut. Die Mutter des Mädchens attackierte sie wie eine Furie und hätte sie um ein Haar kopfüber durch das Fenster gestoßen, durch das sie vorher hatte fliehen wollen.
Dann war alles vorüber. Ein baumlanger Mann mit kahlem Schädel und Schmerbauch zog die Angreiferin zurück. Lachend sagte er zu ihr: »Komm, Cathy, überlass den Rest der Polizei. Wir haben Kitty gefunden. Ihr geht es gut. Komm bitte, lass sie.« Er versuchte, Kittys Finger zu lösen, die sich im Haar der Frau verkrallt hatten.
»Ich bring dich um, du Dreckstück, hast du verstanden? Auch wenn sie dich ins Gefängnis sperren, krieg ich dich zu fassen, Lady. Ich krieg dich überall! Dein Arsch gehört mir!« Im leeren Raum hallte Cathys Flüstern wider. »Du hast mein Kind angefasst - mein kleines Mädchen! Ich reiß dir das Herz raus!«
Estelle Parkinson erlebte sich zum ersten Mal als Opfer hemmungsloser Aggression. Richard betrachtete die Szene, die sich vor ihm abspielte, und sagte zu Estelle: »Das Veilchen, das du dir
eingehandelt hast, und die Haarbüschel, die jetzt schon fehlen, das ist nur ein kleiner Vorgeschmack dessen, was einer Lesbe, die sich an Kindern vergreift, im Knast blüht. Jedenfalls kannst du dich von deinem bisherigen Leben erstmal verabschieden.«
Estelle sah ihn wie gebannt an. Sie spürte seinen Hass und wusste, dass eben das auch seine Absicht war. Sie senkte als Erste den Blick. Als sie aus dem Zimmer geführt wurde, schlug ihr ein großer Transvestit so heftig auf den Hinterkopf, dass sie und ihr Bewacher nach vorn
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