Die Aufsteigerin
wolltest, wie eine Mutter ihr Kind sehen möchte, hätten wir dich zu ihr gebracht. Aber das willst du ja nicht, Madge, oder? Du willst ihr etwas antun. Als hättest du ihr in der Vergangenheit nicht schon genug angetan.« Richard sprach fast unhörbar leise. Je leiser seine Stimme klang,
desto gefährlicher wurde er. Madge wusste das und blieb friedlich. Aber plötzlich brach es aus ihr heraus.
»Leck mich, Gates, und leck du mich auch, du Lesbenschlampe. Ich hab nichts mehr zu verlieren. Absolut gar nichts. Ihr macht mir keine Angst, ihr nicht! Sie schuldet mir was, diese kleine Hure, und jetzt wird sie zur Kasse gebeten. Ihre Clubs und ihr Kind und ihr netter Ehemann … wann hat sie sich je um mich geschert? Das frag ich euch. Ich hab mich abgerackert für die Göre. Ich hab meinen Hintern verscherbelt, damit sie was am Leib hatte und was zu essen.«
Entsetzt stellten Richard und Susan P. fest, dass Madge anscheinend überzeugt war von dem, was sie sagte.
»Ich hab die besten Jahre meines Lebens für sie geopfert, und jetzt will sie nichts von mir wissen, sondern tut so, als hätte es mich nie gegeben. Aber das läuft nicht. Ich hab mir für die kleine Dame den Arsch aufgerissen, und dass es ihr jetzt so gutgeht, wurmt mich mächtig.«
Richard seufzte. »Du hast bereits deine Bewährungsauflagen verletzt. Du hättest in der Unterkunft bleiben sollen, die das Sozialamt dir zugewiesen hat. Stattdessen bist du abgehauen. Jetzt bringe ich dich in den Knast, und das wär’s dann. Wenn ich empfehle, dass du vorübergehend eingesperrt werden solltest, wird man auf mich hören, Madge. Ich werde sagen, du stellst eine Gefahr für deine Tochter dar und auch für deine Enkelin. Ich sage, du hast mich bedroht, und ich bin der Meinung, du bist eine Gefahr für die Allgemeinheit. Und dann, wenn du erst einmal wieder hinter Gittern sitzt …«
Susan P. unterbrach ihn. »Werde ich dafür sorgen, dass du kriegst, was du verdienst.«
Madge grinste nur. »Leck mich, Lady.«
Susan P. brachte den Wagen mit quietschenden Reifen am Straßenrand zum Stehen. Sie drehte sich um, packte Madge an den Haaren, zerrte sie ganz dicht an sich heran und fauchte: »Nein, Madge, leck dich, denn wenn ich es will, dann bist du tot,
Weibsstück. Du weißt, dass ich dafür sorgen kann. Ich hab dafür gesorgt, dass man dich im Knast in Ruhe gelassen hat. Weil Cathy mich darum gebeten hat, weil sie es wollte. Sie konnte dich nicht besuchen, weil sie auf der Flucht war. Und später, als ich es hätte arrangieren können, wusste ich bereits, dass es ihr nicht zuzumuten war, auf eine so bösartige alte Vettel zu treffen. Also, nimm dich ja in Acht, Alte - wenn Cathy auch nur einen Schnupfen kriegt, mach ich dich fertig dafür.«
Madge war erschüttert. »Wie immer krieg ich an allem die Schuld«, jammerte sie. »Ihr kennt sie ja nicht. Aber ihr werdet ebenso wie ich noch mitkriegen, wie sie wirklich ist …«
Susan P. stieß sie zurück auf den Sitz. »Sag ihr, wie’s weitergeht, Richard, ich möchte nach Hause.«
»Okay. Du wirst eine kleine Reise machen, Madge. Gefällt dir doch, oder? Oder möchtest du lieber direkt hinter Gitter wandern?«
Er musste über ihren Gesichtsausdruck grinsen. Sollte sie ruhig ins Schwitzen geraten, es geschah ihr recht. Er wollte sie nur aus dem Weg haben, irgendwohin verfrachten, wo er ein Auge auf sie haben konnte. Das Gefängnis war im Moment nicht der richtige Ort für sie. Sie brauchte Hilfe, und er würde dafür sorgen, dass sie Hilfe bekam.
Cathy blieb eine Zeit lang besorgt, aber nach ein paar Monaten verblassten die Gedanken an ihre Mutter. Sie glaubte, dass Madge beschlossen hatte, sie in Ruhe zu lassen und ihr eigenes Leben zu führen. In gewisser Weise war sie traurig darüber. Sie hätte ihre Mutter gern gesehen, mit ihr gesprochen. Aber das sollte offenbar nicht sein. Allmählich verlief alles wieder in geordneten Bahnen, und sie lebte auf. Richard und Susan erzählten ihr nichts, und Desrae tat es auch nicht.
Sie waren übereingekommen, dass es für Cathy ein Segen war, wenn sie nicht erfuhr, was geschehen war.
SECHSTES BUCH
»Komm, wir wollen bis zum Morgen in Liebe schwelgen, wir wollen die Liebeslust kosten. Denn mein Mann ist nicht zu Hause, er ist auf Reisen, weit fort.«
- Sprichwörter, 7,18
» Liberavi animam meam. « »Ich habe meine Seele befreit.«
- St. Bernard, 1090-1153
Kapitel siebenundvierzig
NEW YORK, 1995
Beladen mit Einkaufstüten verließ Cathy das Kaufhaus
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