Die Aufsteigerin
Saks an der Fifth Avenue. Wie immer im Frühling war sie lebensfroh und unternehmungslustig.
Morgens war sie allein im Central Park spazieren gegangen, hatte Kaffee getrunken, eine Zigarette geraucht und das Leben und Treiben beobachtet. Die Natur erwachte zum Leben. Das Gras war grüner als sonst, die Bäume schmückten sich langsam mit Blättern, und die Sonne hatte so viel Kraft, dass der Wind vom Atlantik erträglich wurde.
Sie hatte New York lieben gelernt und auch Amerika. Im Lauf der acht Jahre, in denen sie die Stadt regelmäßig besucht hatte, war sie fast selbst zur New Yorkerin geworden. Sie hatte sich vor einem Jahr sogar ein Loft in der Nähe der Bleecker Street gekauft. Die Gegend erinnerte sie an Londons Soho, und unter den Künstlern und trendbewussten jungen Leuten auf den Straßen fühlte sie sich heimisch.
Sie aß in Chinatown Chow Mein mit Shrimps und trank dazu einen Kräutertee, bevor sie mit ihren Einkaufstüten zu Fuß nach Little Italy ging, wo sie um halb drei mit Eamonn verabredet war. Als sie The Baker’s Bar betrat, entdeckte sie Anthony Baggato. »Kein Eamonn da?«
Anthony liebte sie. Er liebte ihr Gesicht, ihr Haar und ihren britischen Akzent. »Er wird gleich da sein, Prinzessin. Was möchtest du trinken?«
Er schnippte mit den Fingern, und schon erschien eine Kellnerin. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid und stakte auf unmöglich
hohen Absätzen einher. Cathy lächelte ihr zu. »Ich hätte gern ein Glas Weißwein.«
Die junge Frau notierte die Bestellung, und Cathy und Anthony schauten ihr nach, wie sie zum Tresen stöckelte.
Cathy lachte. »Du bist unmöglich, Anthony.«
Er hob die Arme, als habe er nichts zu erwidern. »Ich schaue, ich träume, ich genieße. In meinem Alter bleibt mir nichts anderes übrig.«
Er war ein Riesenkerl und wog mit Anfang sechzig noch immer gut hundertzehn Kilo. Während er sprach, ließ er die junge Kellnerin nicht aus den Augen. Sie war kaum mehr als zwanzig, hatte ein sehr hübsches Gesicht und schaute ungnädig drein.
»Mein Güte, Cathy, wie viel kann eine Frau nur einkaufen? Jedes Mal, wenn ich dich sehe, bist du schwer beladen. Ich kann nur hoffen, dass du den Irenlümmel für das ganze Zeug bezahlen lässt.«
»Ich bin eine unabhängige Frau. Ich verdiene mein eigenes Geld und gebe mein eigenes Geld aus.«
Anthony spielte den Sizilianer, zog scherzhaft die Schultern hoch und sagte laut: »Warum hab ich nicht eine wie dich gefunden? Meine Frau ist ständig am Einkaufen, aber sie kauft nur unnützes Zeug. Mein Apartment hat mehr als eine Million Dollar gekostet und ist randvoll mit Tinnef. Deswegen setz ich da keinen Fuß mehr rein.« Anthony hatte seine vorletzte Frau vor fünf Jahren gegen eine Achtundzwanzigjährige ausgetauscht, ein Revuegirl mit aufgeworfenen Collagenlippen und Brüsten, die allen Gesetzen der Schwerkraft Hohn sprachen.
Eamonn betrat die Bar, und als er Cathy sah, verbesserte sich seine Laune sofort. Wie gewöhnlich sah sie zum Anbeißen aus. In dem engen weißen Kostüm, das ihre schlanken Beine betonte, hätte sie es mit jedem Filmstar aufnehmen können.
Nach acht Jahren bezauberte sie ihn noch immer. Und auch heute gab sie ihm Auftrieb, trotz seiner zahllosen Sorgen.
»Da erwisch ich euch beide also schon wieder. Was denkst du
dir eigentlich dabei? Dich hinter meinem Rücken mit diesem Anthony zu treffen?«
Sie lachten, und Cathy sagte: »Wie froh ich bin, dass wir aufgeflogen sind. Es war sein furchtbarer Stress, unser Verhältnis geheim zu halten.« Sie nippte an ihrem Wein, während die Männer über Geschäfte sprachen.
»Reibereien mit Igor?«, fragte Anthony.
Eamonn zuckte die Achseln. »Dieselbe Scheiße wie immer.«
Anthony lachte. »Willst du damit sagen, die rote Kacke ist noch nicht am Dampfen?«
»Ja, mit der Betonung auf noch !«
Beide Männer sahen besorgt aus, aber dann erhellte sich Eamonns Miene. »Wir haben immer noch eine Menge Zeit, und wenn es hart auf hart kommt, mach ich es selbst klar. Wäre ja nicht das erste Mal.«
»Was hat das alles zu bedeuten?«, wollte Cathy wissen. »Immer redet ihr in Rätseln.«
Die beiden Männer sahen sie an, und Cathy blieb die Anspannung in ihren Gesichtern nicht verborgen.
»Denk dir nichts dabei, Süße, ist alles nur Unsinn.« Anthony erhob sich schwerfällig. »Ich muss langsam los, denn ich bin mit Jack verabredet.«
Er küsste Cathy formvollendet die Hand. »Bis wir uns wiedersehen. Und vergiss nicht, Kleines, wenn du den Schwachkopf leid
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