Die Aufsteigerin
Stunden, die sie erlebt hatte, aber das war nicht leicht. Rons Gesicht tauchte vor ihren Augen auf, und sie kniff sie fest zusammen, um das Bild zu vertreiben.
So viel Schlechtes war ihr im Leben widerfahren, und alles nur wegen Madge und ihrem Gewerbe. Sie müsste sie eigentlich hassen, aber das konnte sie nicht. Madge war ihr Fleisch und Blut, außer Kitty ihre einzige Verwandte. Alles, was sie an Familie besaß.
Mit einem strahlenden Lächeln öffnete Desrae die Eingangstür. Er hatte Kitty erwartet und sah stattdessen eine ungepflegte Frau mit rot gefärbtem Haar vor sich.
»Kann ich Ihnen helfen, meine Gute?«
Desrae sah sich kurz um, ob auch niemand ihn mit dieser Stadtstreicherin sprechen sah.
»Sind Sie Desrae?«
Er nickte. »Was kann ich für Sie tun? Sie sammeln für irgendwas?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Ich bin wegen Cathy Duke hier, oder Connor, wie sie mal hieß.«
Desraes stark geschminkte Augen verengten sich, und mit tiefer Stimme sagte er: »Was ist mit ihr? Und inzwischen heißt sie Pasquale.«
Die Frau seufzte. »Ich will keinen Ärger machen. Ich muss sie nur fünf Minuten sprechen, das ist alles. Ich hab nämlich Informationen für sie.«
»Und was für Informationen sollen das sein, wenn ich fragen darf?«
Sie schürzte die Lippen und antwortete dann: »Wichtige Informationen eben.«
Desrae verdrehte die Augen. »Wollen Sie mich auf die Palme bringen? Wer sind Sie überhaupt? Erst wenn Sie mir das verraten, werde ich entscheiden, ob ich ihr etwas ausrichte. Fairer geht’s doch wohl nicht, oder?«
»Mein Name ist Betty Jones. Ich kenne Cathy schon von Geburt an. Ich war eine Freundin ihrer Mutter. Vielleicht hat sie mich ja mal erwähnt. Ich sehe sie ab und zu. Sie besucht mich.«
»Und warum haben Sie denn nicht angerufen?«
Betty wurde ungeduldig und sagte sarkastisch: »Weil ich es ihr persönlich sagen muss. Ich kannte bis jetzt nicht einmal ihre Adresse. Sie hat mich nie zu sich eingeladen. Aber sie liegt mir wie eh und je am Herzen, und ich muss sie dringend sprechen. Man hat mir gesagt, dass Sie mir dazu verhelfen könnten.«
Desrae steckte in der Zwickmühle. Er hätte gern gewusst, worum es ging, wollte aber nicht den Eindruck erwecken, dass er sich einmischte. Er hatte natürlich von dieser Betty gehört, war aber unschlüssig, was er machen sollte, als sie jetzt leibhaftig auf seiner Türschwelle stand.
»Worum geht es denn nun?«, beharrte er.
»Es geht um Madge, ihre Mutter. Um die geht es.«
Desrae trat einen Schritt zurück. »Sie kommen am besten herein.«
Als sie die Treppe hinaufgingen, überlegte er hektisch. Wenn Madge zurück war, konnte das für Cathy nur Probleme bringen. Und was sollte mit Kitty werden? Sie hatte doch keine Ahnung, dass ihre Großmutter wegen Mordes im Gefängnis gesessen hatte. Wenn es nach Desrae ging, sollte sie es auch nie erfahren. Das junge Mädchen hatte schon mehr als genug durchmachen müssen.
Betty bestaunte die grellbunten Farben im Wohnzimmer und setzte sich vorsichtig auf die Lehne eines zweisitzigen Sofas. Desrae machte es sich auf einem Sessel bequem, und einen Augenblick lang taxierten sie sich gegenseitig.
»Madge ist vor zwei Tagen bei mir aufgetaucht«, begann Betty. »Seither zerbreche ich mir den Kopf, was ich mit ihr anstellen soll. Ich weiß, dass sie auch hier gewesen ist und Ausschau nach ihrer Tochter gehalten hat. Ich mache mir Sorgen. Madge ist dieser Tage nicht ganz richtig im Kopf. War sie vielleicht nie.« Bettys Stoßseufzer kam von Herzen. »Ich würde ihr zutrauen, dass sie Cathy was antut, wenn sie die Möglichkeit bekommt. Nicht dass sie so was gesagt hätte, aber das ist mein Gefühl, verstehen Sie?«
»Meinen Sie, Cathy sollte davon erfahren? Sind Sie deswegen hier?«, fragte Desrae, bestürzt über die Nachricht.
Betty zuckte die Achseln. »Hier ist meine Nummer. Ich muss zurück, damit ich Madge im Auge behalten kann. Sie glaubt, dass ich zum Einkaufen gegangen bin. Ich werde wohl ein Taxi nehmen müssen. Tun Sie, was Sie für richtig halten, und sagen Sie mir dann Bescheid. Und bitte, geben Sie mir ihre Nummer, damit ich ihr berichten kann, was vor sich geht. Was auch immer geschieht - wir müssen Cathy und ihre Tochter schützen. Madge ist absolut unberechenbar. Vor Jahren war ihre Art noch spaßig, aber das hat sich geändert. Sie macht mir Angst, Mann.« Betty schauderte es. »Ich möchte sie gar nicht in meiner Wohnung haben, aber mir bleibt ja wohl kaum was anderes übrig,
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