Die Aufsteigerin
oder? Du kannst von Anfang an damit rechnen, in fünf bis sieben Jahren wieder draußen zu sein. Warum machst du es allen - dir nicht minder - so schwer? Wenn ich nämlich will, dass du einfährst, Madge, dann fährst du ein, Lady.«
Sie schüttelte wieder den Kopf. »Tut mir wirklich leid, ich krieg’s einfach nicht über mich.«
Gates schloss die Augen und konnte nur mit großer Mühe an sich halten. »Denk drüber nach, was ich gesagt habe, und triff die richtige Entscheidung.«
Beim Hinausgehen zündete er sich noch eine Zigarette an und inhalierte tief. Die Nacht schritt voran, und seine Geduld nahm ab.
Er öffnete das Guckloch zu Cathys Zelle, sah das Mädchen eingekuschelt in ihre Decke und fragte sich, wieso es ihm nicht scheißegal war, was mit ihr wurde.
»Dieser Ire möchte Sie sprechen, Mr. Gates - Docherty, das Großmaul aus den Docks. Sagt, er ist wegen dem Mädchen gekommen.«
Gates nickte und sagte: »Schicken Sie ihn rein, und bringen Sie uns zwei Tassen Tee. Aber nicht von dem aufgekochten Mistzeug.«
Der Constable grinste. Unter den Ranghöheren hatte niemand für Gates etwas übrig, aber die ihm untergebenen Beamten mochten und respektierten ihn auf ihre Weise.
Er war von Natur aus fair, was sie zu schätzen wussten, und überdies besaß er die erstaunliche Fähigkeit, sich viele Details ihres Privatlebens einzuprägen; die Namen ihrer Ehefrauen, Gebrechen ihrer Mütter, Erkrankungen ihrer Kinder, aber auch deren Leistungen - derlei brachte er ins Gespräch. Wie jeder wusste, legte Gates Wert darauf, alles über jeden zu erfahren. Eben das beunruhigte seine Vorgesetzten am allermeisten, und nicht selten behielt er durch dieses Wissen die Oberhand, wenn er mit ihnen zu tun hatte.
Gates beendete gerade einen schriftlichen Bericht, als die Tür aufging und Eamonn Docherty das Büro betrat. Begleitet wurde er von dem Beamten, der die gewünschten Becher Tee brachte.
Argwöhnisch musterten die beiden Männer einander. Schließlich nahm Gates einen kleinen Schluck Tee und sagte leicht belustigt: »Ist ja schon ‘ne ganze Weile her, Sie irischer Schmarotzer. Wie geht’s denn?«
Eamonn lachte, aber selbst in den eigenen Ohren klang es hohl. »Mir geht’s ganz gut mit meiner kleinen Ehefrau. Und selbst?«
Gates zuckte die Achseln und brachte mit einer gekonnten Bewegung seine stattliche Körpergröße zur Geltung. »Danke der Nachfrage.« Seine tiefe Stimme klang nicht mehr bedrohlich, sondern fast freundlich.
Eamonn trank seinen Tee und wartete darauf, dass der größere
Mann das Wort ergriff. Es war ungewohnt für ihn, der kleinere zu sein, und deswegen fühlte er sich unwohl wie selten. Gates nutzte diese Situation aus, indem er sich in aller Gemütsruhe eine Zigarette ansteckte.
»Sie haben es also gehört?«
Eamonn nickte. »Mrs. Sullivan hat einen von ihren Jungs rübergeschickt - ist ja mal unsere Nachbarin gewesen. Kennen uns schon seit Jahren. Wie hält sich die Kleine denn? Auf ihre Weise liebt sie Madge nämlich sehr, und so übel die Alte auch sein mag, meistens stand das Mädchen für sie an erster Stelle. Ich lieb das Püppchen auch. Ich nehm sie mit mir heim, und die Frau kann sich verpissen. Cathy ist wie mein eigen Fleisch und Blut.«
Gates kaute an der Unterlippe, bevor er sprach. »Ihr eigener Sohn, der stand doch vor kurzem noch unter Mordverdacht, oder irre ich mich?«
Eamonn runzelte die Stirn und bedauerte, in den vorangegangenen Stunden so viel getrunken zu haben. Er überlegte, was der Mann wohl mit diesen Worten beabsichtigen mochte. Als sich dann Fassungslosigkeit in seiner Miene widerspiegelte, trommelte Gates mit den Fingern auf seine Schreibtischplatte.
»Ist der Groschen gefallen? Madge schiebt die Schuld auf das Kind.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Ich wünschte, es wäre so. Jedenfalls steht zweifelsfrei fest, dass die Kleine es getan hat. Um ihrer Mutter zu helfen, so wie ich’s mir zusammenreime. Sie kennen Madge, dafür haben Sie ja wohl lange genug mit ihr zusammengelebt. Die ist Hure durch und durch. Sie kann bestens damit leben, das Mädchen alles allein ausbaden zu lassen und selbst unbehelligt davonzukommen. Ich hab ihr die Daumenschrauben angesetzt und gesagt, dass ich sie trotzdem kriege, aber sie gibt immer noch nicht klein bei. Womit könnte ich sie denn sonst noch unter Druck setzen?«
Eamonn rollte sich eine Zigarette und ließ sich viel Zeit, um nachdenken zu können. Als er übers Papier leckte, sagte er: »Bleibt alles unter
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