Die Aufsteigerin
uns, kann ich mich drauf verlassen?«
»Na klar. Was denken Sie wohl, was ich vorhabe - gleich ‘ne Anzeige in der verschissenen Lokalzeitung aufgeben?«
Schweren Herzens ließ sich Eamonn auf den Polizisten ein. Aber Gates war in der Unterwelt wohlbekannt, nicht als käuflicher Bulle, sondern als Polizist mit Sinn für Fairness und der Neigung, logischen Argumenten zugänglich zu sein. Dass ihm seine Vorgesetzten aus den großen Pranken fraßen, verstand sich zudem von selbst. Eamonn hoffte, dass er die Kleine vor dem Schlimmsten bewahren konnte. Die Vorstellung, dass sie verängstigt und allein in einer Gefängniszelle saß, verursachte ihm Übelkeit.
»Ohne noch jemanden mit reinzuziehen, sag ich eins: Erinnern Sie Madge daran, wie sie vor ‘ner Weile mit Susan P. gearbeitet hat. Da kriegt sie bestimmt so das Schlottern, dass sie mit allem einverstanden ist.«
Gates zog verwundert die Augenbrauen hoch. »Susan P.? Die spielt doch in einer anderen Liga als Madge. Wozu könnte Susan sie denn gebraucht haben? Da muss ich wohl persönlich nachhaken und rausfinden, was mir entgangen ist.«
Eamonn schloss die Augen. »Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen rate, lieber nicht zu tief zu graben. Den Durchblick hab ich auch nicht, aber soweit ich weiß, stecken da wohl einige wichtige Leute mit drin.«
»Macht mich mächtig neugierig.« Gates’ Stimme klang wieder bedrohlich.
»Neugier kann aber auch mächtig gefährlich werden, Gates. Vergessen Sie das nicht.«
Der grinste und zeigte dabei seine weißen Zähne. »Keine Sorge, ich werd dran denken. Und nun, Mr. Docherty, trinken Sie Ihren Tee aus und fangen ganz am Anfang an. Ich muss alles wissen. Und ich schätze, Sie sind genau der richtige Mann, mir alles zu erzählen.«
»Eins noch, bevor ich anfange - wenn Madge nicht nachgibt, dann geh ich für das Kind in den Knast. Bin ich eben zufällig bei Madge reingeschneit und hab den Kerl erwischt - irgend so ‘n Scheiß. Egal, auf jeden Fall hol ich mein Püppchen hier raus.«
Mit seinen stahlblauen Augen sah Richard Gates sein Gegenüber durchdringend an und schüttelte dann widerwillig bewundernd den Kopf. »Sie sind gerade in meiner Achtung gestiegen, Docherty. Ich hätte gedacht, sie würden einen Scheißdreck auf die ganze Sache geben und sich von Madge so weit fernhalten, wie’s nur geht.«
»Würde ich auch, wenn es nur um sie ginge. Ich hab mich jahrelang von ihr aushalten lassen, das weiß jeder, aber irgendwie hat sie mir auch was bedeutet. Kann schon ‘ne komische Blüte sein, die alte Madge. Den Kopf würde ich aber niemals hinhalten für sie. Mit Cathy, das ist schon anders. Ich könnte es nicht ertragen, ihr junges Leben ruiniert zu sehen. Sie hat’s schon schwer genug gehabt, aber die Kleine weiß sich auch durchzuboxen.«
Eamonn lächelte bei diesen Worten, und Gates lächelte zurück.
»Gemeinsam kriegen wir bestimmt was hin.«
Eamonn zündete seine Selbstgerollte noch mal an und fragte: »Warum machen Sie das? Was ist denn für Sie drin?«
Gates zuckte die Achseln. »Das ist ja das Komische - da ist kein Hintergedanke. Mir tut das Mädchen einfach leid. Sie ist zu jung und verletzlich, um auf den Müll geworfen zu werden, aber glauben Sie mir, genau dazu wird es kommen, wenn wir nicht eingreifen. Also, erzählen Sie mir jetzt, worum es bei der Geschichte geht?«
Eamonn schüttelte abwehrend den Kopf. »Wenn’s irgend geht, will ich nicht darin verwickelt werden. Ein bisschen Druck, dann reißt Madge garantiert ihre große Klappe auf.«
»Ich hab da noch eine bessere Idee«, sagte Gates. »Ich frag einfach Susan P. Wir kennen uns schon ewig - sind alte Freunde.«
Das wunderte Eamonn nicht. Gates war ein Polizist der anderen Sorte. Er mochte die meisten Kriminellen, mit denen er zu tun hatte, obgleich man über hellseherische Fähigkeiten verfügen musste, um das spitzzukriegen. Aber es gab auch Ausnahmen.
Seit Jahren kursierte eine Geschichte, die Gates und einen Mann betraf, der als Vergewaltiger verdächtigt wurde. Es hatte sich dann angeblich ein Unfall ereignet, bei dem der Mann die Treppen hinuntergestürzt und anschließend im Krankenhaus gestorben war.
Derartige Geschichten festigten Gates’ Ruf, sowohl im Dienst als auch im Zivilleben. Richter betrachteten ihn zwar mit gewissem Argwohn, aber ob sie ihn nun mochten oder verabscheuten, sie respektierten ihn, weil er nie versucht hatte, einem unschuldigen Menschen etwas anzuhängen. Alle, die er schnappte und vor Gericht
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