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Die Aufsteigerin

Titel: Die Aufsteigerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Cole
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es von ihr erwartet wurde. Das heißt: Sie log wie gedruckt.

Kapitel zwölf
    Der Arzt war entsetzt darüber, wie man das Mädchen, das da im Bett lag, offenbar behandelt hatte. Er hatte sich bereits entschlossen, sie ins Krankenhaus einweisen zu lassen, als man ihn darauf hinwies, dass es sich um eine gewalttätige Straffällige handelte, die ohne Bewachung nirgends hingebracht werde durfte.
    Der Arzt, der erst einige Monate zuvor gerufen worden war, damit er half, ein Kind zu retten, das sich und seine Zimmergenossin verstümmelt hatte, war nicht so erschüttert, wie er sich gab. Im Gegenteil, er nutzte seine Erlebnisse aus diesem Erziehungsheim als Tischgespräch und wünschte sich sogar, noch häufiger dorthin gerufen zu werden.
    Eine echte Fesselung gäbe für seine Freunde wie für seine Berufskollegen eine prima Geschichte ab.
    Innerhalb einer Woche hatte er es geschafft, dass die Kleine weit genug genesen war, um zu erfassen, was man ihr sagte, und sich artikulieren zu können. Auf diese ärztliche Leistung war er stolz, und obendrein brachte sie ihm die aufrichtige Dankbarkeit der Schulleitung von Benton ein.
    Die Tore der Institution blieben jedoch von da an für ihn geschlossen, und er hätte sich über das weitere Schicksal dieses speziellen Mädchens ebenso Gedanken machen müssen wie über das Wohl aller anderen, die er mittlerweile behandelt hatte. Insgeheim wusste er genau, dass er an einem Komplott teilhatte, aber fälschlicherweise glaubte er, es ginge nur darum, den guten Namen von Deal als Ferienort zu schützen. Mrs. Barton
verstand sich auf die menschliche Natur und hatte den guten Doktor auf den ersten Blick richtig eingeschätzt, während er sich zu der Tatsache beglückwünschte, dass dieses Mädchen mindestens ein Bein oder einen Arm verloren hätte, wenn er nicht gewesen wäre.
    So wie es ausschaute, konnte sie aber weiterhin über gesunde Gliedmaßen verfügen, und ihre Genesung machte ausgezeichnete Fortschritte.
    Cathy war eine schweigsame und stoische Patientin.
    Er schrieb ihre Schweigsamkeit der Tortur zu, die sie hatte ertragen müssen, und ihm wäre nicht im Traum eingefallen, dass es die Anwesenheit von Miss Henley war, die dem Kind die Lippen versiegelte.
    Es sollte noch zwanzig Jahre dauern und des Eingeständnisses der Fürsorgebehörden bedürfen, dass diese Fesselungspraktiken existierten, bevor er sich zusammenreimen konnte, was direkt vor seiner Nase geschehen war.
    Bis dahin würde er sich stets beglückwünschen, welch hervorragende Arbeit er geleistet hatte.
     
    Man hatte Denise erlaubt, das kranke Mädchen regelmäßig zu besuchen. Die Angst der Verantwortlichen, dass Cathy sterben könnte, hatte sich für die Heiminsassen positiv ausgewirkt, und alle merkten, dass sie tatsächlich einmal die Oberhand hatten.
    Es gab reichlich zu essen, jeden Tag wurde geheizt, und hemmungslose Strafaktionen gehörten urplötzlich der Vergangenheit an. Jeder wusste, dass es nicht so bleiben würde, und sie alle, besonders aber Denise, genossen die Ruhepause, solange sie andauerte.
    Als sie hinuntersah auf das Mädchen im Bett, schnürte es ihr die Brust ein, und sie wusste, dass es mit Liebe zu tun hatte.
    Miss Henley und die anderen wussten, dass Denise im Heim das Sagen hatte. Je nach eigenem Gutdünken arbeitete das Mädchen jedoch mit ihnen zusammen, um eine gewisse Ordnung
aufrechtzuerhalten. Aber auf ein Wort von Denise hätte es auch vor ihren Augen Mord und Totschlag geben können. Jetzt hatte sich das Blatt gewendet, und das nutzte Denise weidlich aus.
    Sie wusste jedoch nicht, dass die schuldigen Mitglieder der Heimleitung bereits gemeinsam einen Plan austüftelten, sowohl Cathy wie auch sie so schnell wie möglich aus dem Erziehungsheim zu entfernen.
    Cathy öffnete die Augen und lächelte milde. »Meine Hände bringen mich um.«
    Denise zog eine Grimasse. »Das glaub ich aufs Wort, Mädchen. Man kann’s ihnen ansehen, dass sie noch wehtun.«
    Die festgezurrten Stricke hatten an den Gelenken die Blutzirkulation abgeschnitten. Ihre Hände waren dadurch ganz schlimm angeschwollen, und jetzt, nach einer Woche, verlor Cathy sämtliche Fingernägel. Seltsamerweise empfand sie das als schmerzhaftesten Teil der Folterqualen.
    »Ich hasse es, gefüttert zu werden, und komm mir echt dämlich vor.« Cathys Stimme klang härter als früher, ihr Blick war argwöhnischer, aber dass sie sich niemals würde unterkriegen lassen, war dem zierlichen Mädchen auf den ersten Blick

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