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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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vorzubereiten. Donato führte die Reporterin nach vorn und stellte sie vor.
    »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Signorina«, sagte Franco und tippte sich ans Berretto.
    »Wo sind die Geiseln?«, fragte Signorina Guglielmi.
    »Gleich nebenan«, sagte Donato schnell.
    Die Reporterin nahm Angelo Sgreccia die Taschenlampe aus der Hand und leuchtete die Mauer ab.
    »Da ist überhaupt kein Loch!«, sagte sie.
    »Noch nicht«, sagte Franco, »aber gleich!«
    Er hielt zwei etwa fünfzehn Zentimeter lange und drei Zentimeter dicke Stangen ins Taschenlampenlicht.
    »Vergesst Dynamit, wenn ihr Schlagladungen auf ANFO-Basis mit angewürgter Sicherheitszündschnur habt!«, sagte er. »Die stammen noch aus den Beständen der Mine von Cabernardi. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie sie in meinen Besitz gekommen sind. Jedenfalls habe ich sie aufgehoben. Dachte mir immer, dass ich sie mal brauchen würde.«
    »Das Zeug ist mindestens fünfzig Jahre alt«, sagte Ivan Garzone.
    »Ich bin über achtzig Jahre alt«, sagte Franco. »Willst du vielleicht behaupten, dass ich deswegen nichts mehr tauge?«
    »Weißt du überhaupt, wie man damit umgeht?«
    »Das Klebeband, bitte!« Franco hielt die beiden Sprengladungen in etwa anderthalb Metern Höhe gegen die Mauer.
    »Würde nicht eine reichen?«, fragte Elena Sgreccia. »Nicht, dass halb Montesecco in die Luft geht!«
    »Eine ist keine«, sagte Franco, während er einen Streifen Klebeband quer über die Stangen legte und an den Seiten festdrückte. »Nimm niemals nur einen Sprengsatz! Das hat Benito Sgreccia damals bei jeder Gelegenheit betont. Ich habe seine Worte noch genau im Ohr. Und Benito musste es ja wissen. Er hat lange genug in der Mine gearbeitet.«
    »Aber nicht als Sprengmeister«, wagte Angelo Sgreccia einzuwenden. »Und außerdem kann ich mich nicht erinnern, dass mein Vater …«
    »Davon verstehst du nichts, Angelo! Das waren noch andere Zeiten. Damals hat man sich dafür interessiert, was der Kumpel neben dir macht. Schon, weil jeder für den anderen einspringen musste, wenn Not am Mann war.« Franco klebte einen zweiten Streifen über den Sprengstoff. Dann fuhr er mit dem Zeigefinger über eine der Zündschnüre, die am unteren Ende herausragten. Er sagte: »Außerdem hat das alte Zeug den großen Vorteil, dass es ganz simpel funktioniert. Kein Kabelsalat, kein elektronischer Zünder, keine Säuremischungen, keine Zeitschaltuhren. Du hältst einfach ein Zündholz daran, gehst in Deckung, und peng!«
    »Die sind verrückt! Die sind total durchgeknallt!«, sagte Anna-Maria Guglielmi und wich langsam von der Mauer zurück.
    »Wir wären dann so weit«, sagte der Techniker von Canale 5. Miguel hatte seine Kamera geschultert.
    Franco Marcantoni holte eine Packung Cerini hervor, die er wahrscheinlich schon genauso lang wie den Sprengstoff aufbewahrte. Er nahm eines der Wachsstreichhölzchenheraus, presste dessen roten Kopf mit dem Daumen gegen die Mauer und riss es an. Die Flamme brauste laut, bis sich die Schwefelmischung ganz entzündet hatte, und brannte dann ruhig nach oben. Mit fast feierlicher Stimme sagte Franco: »Wenn ich die Damen und Herren bitten dürfte, hinter der Zwischenmauer in Deckung zu gehen!«
    Die wilden Hammerschläge hatten vor geraumer Zeit aufgehört, doch die Geräusche, die nun in unregelmäßigen Abständen aus dem Keller drangen, waren nicht weniger beunruhigend. Mal glaubte Enrico Munì hastige Schritte zu hören, mal ein feines Klirren, als wäre jemand mit einem Gewehrlauf gegen etwas Metallenes gestoßen, und dazwischen murmelten menschliche Stimmen. Viele Stimmen von einem Haufen Menschen, die einiges zu besprechen hatten.
    »Was haben die vor?«, flüsterte Munì.
    Nummer 1 zuckte die Achseln, als ob ihm nichts in der Welt gleichgültiger wäre. Nummer 2 lehnte an der Wand schräg gegenüber und kaute Kaugummi. Nummer 3 blickte auf seine Hände hinab, die er über dem Lauf der Maschinenpistole gefaltet hatte. Nichts zu sehen war von den Staatspolizisten, die als Verstärkung angerückt waren. Sie sicherten die Räume des Erdgeschosses, die Haustür und die Treppe nach oben ab. Munì presste das Ohr gegen die Kellertür. Jetzt hörte er gar nichts mehr. Das war doch nicht normal! Mindestens ein halbes Dutzend Menschen befand sich dort unten, und keiner rührte sich, keiner sagte etwas? Die hatten etwas vor.
    »Wir sollten da hinunter!«, flüsterte Munì. Die Geiselnehmer besaßen definitiv einen Granatwerfer und wer weiß,

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