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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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können, aber jetzt überlegte es sich jeder zwei Mal, die eigenen vier Wände zu verlassen, und wenn er doch musste, um zum Beispiel Katzenfutter zu kaufen, kehrte er so schnell wie möglich zum Kaminfeuer zurück.
    Costanza fror. Müsste hier nicht irgendwo der Weg zu ihrem Haus abzweigen? Der senfgelbe Anstrich des zweistöckigen Baus links sah fremd aus. So eine Farbe gab es auf Monteseccos Mauern nicht, hatte es nie gegeben. Costanza fragte sich, ob sie sich anderswo befand, konnte sich aber nicht vorstellen, wie sie da hingekommen sein sollte. Oder hatten die Deutschen etwa …?
    Sie erschrak, als ein Mann von hinten zu ihr aufschloss. Er grüßte sie mit Namen, fragte, wohin sie wolle. Sie kniff die Augen zusammen und sah zu ihm auf. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Ja, ja, das war jemand aus dem Dorf, ihr fiel nur der Name gerade nicht ein. Sie fasste den Mann am Arm und flüsterte: »Die meinen, sie könnten alles mit uns machen, aber die werden sich noch wundern!«
    »Schreckliche Geschichte, nicht?«, sagte der Mann. »Doch du solltest nicht allein hier draußen herumlaufen.«
    »Wir müssen etwas tun«, zischte Costanza ihm zu. Sie hakte sich bei ihm unter. Sie war gewohnt, ihr Leben allein zu meistern, doch in Kriegszeiten war das etwas anderes. Da mussten alle zusammenhalten. Keine Besatzungsmacht der Welt konnte sich auf Dauer behaupten, wenn ihr das Volk geschlossen gegenübertrat.
    Costanza schlurfte neben dem Mann her, dessen Name ihr gerade nicht einfiel, und plötzlich hatte sie eine Vision: Ganz Italien würde aufstehen und sich gegen die Deutschen wehren! In Rom, Mailand, Pergola, in jeder Stadt und in jedem Dorf würden die Männer ihre Waffen verstecken, um sie im entscheidenden Moment hervorzuholen. In den Klöstern würden von den Deutschen Verfolgte unter Mönchskutten versteckt werden. Die Kinder würden stumm in die falsche Richtung weisen, wenn sie vom Fahrer eines Militärlastwagens nach dem Weg gefragt würden. Die Gefängniswärter würden vergessen, die Zellen berufsmäßiger Taschendiebe abzuschließen, wenn diese Lust verspürten, ihre Kunstfertigkeit an Wehrmachtsoffizieren zu erproben. Auf wichtigen Eisenbahnstrecken würden sich unerklärlicherweise die Pannen häufen. Die Mechaniker würden sich als unfähig erweisen, liegengebliebene Lokomotiven wieder flott zu bekommen. In mancher Reinigung gerieten deutsche Uniformen versehentlich unter die Kochwäsche und kämen blitzsauber, doch deutlich geschrumpft aus der Maschine. Dolmetschern würden folgenreiche Missverständnisse unterlaufen, Gerüchte über eine flächendeckende Verteilung von Volksempfängern würden für alles blockierende Aufläufe vor den Kommandanturen sorgen, und selbst die Nutten würden ihre Dienste so ausdauernd leisten, dass ihre ausländische Kundschaft den Zapfenstreich darüber völlig vergaß.
    Schlamperei würde sich mit Übereifer paaren, chaotische Organisation mit irrwitzigen Improvisationen, kurz, Italien würde das tun, was es am besten konnte, nämlich mit Enthusiasmus daran arbeiten, dass nichts funktionierte, wie es sollte. So lange, bis die Deutschen den Tag verfluchten, an dem sie zum ersten Mal einen Fuß in dieses Land gesetzt hatten. Costanza würde dann vielleicht nicht mehr sein, doch sie wusste so genau, als hätte sie es schon einmal erlebt, dass der Widerstand letztlich erfolgreich sein würde.
    Widerstand, ja, Resistenza, so müsste man die Bewegung taufen! Unter diesem Namen würde sie in die Geschichtsbücher eingehen. Und hier hätte sie begonnen, hier im kleinen Montesecco, wo sich eine alte Frau von den Deutschen nicht verbieten lassen wollte, Futter für ihre Katzen zu kaufen.
    »Evviva la Resistenza!«, flüsterte Costanza dem Mann neben sich zu.
    Der nickte entschlossen und sagte: »Jetzt wärmen wir uns erst einmal auf, und dann bringe ich dich heim.«
    Er führte Costanza an der Sebastianskapelle vorbei und öffnete die Tür zur Bar, aus der ihnen Stimmengewirr, dampfende Wärme und der Geruch von feuchten Ledermänteln entgegendrang. Im Ofen brannte das Feuer hoch, unter der Decke glühten die Spiralen eines Heizstrahlers. Auf dem Kicker stand ein Fernseher. Er lief, doch die Leute, die an der Theke lehnten oder an einem der kleinen Tische saßen, sahen nicht hin.
    »Wer sind die alle?«, fragte Costanza.
    Der Mann, der sie begleitet hatte, rief Richtung Theke: »Machst du mal einen Tee für Costanza, Ivan?«
    Costanza stand dicht neben der Tür. Spione konnten überall

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