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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Marisa, ich wollte dir nur sagen, dass mir alles so fürchterlich leidtut. Ich weiß nicht, ob ich es je wieder gutmachen kann, aber du sollst wissen, dass du das Beste bist, was mir je widerfahren ist. Was immer auch geschieht, du wirst die wichtigste Person in meinem Leben bleiben. Nein, die einzig wichtige Person. Das schwöre ich dir hier im Angesicht von Millionen Zeugen an den Bildschirmen, und jeder Einzelne dieser Millionen soll mich zur Rechenschaft ziehen, wenn ich auch nur ein unwahres Wort sage. Ich brauche dich, Marisa, ohne dich kann und mag ich nicht leben, und deshalb bitte ich dich, mir zu verzeihen und zu mir zurückzukommen. Lass uns wieder von vorn anfangen! Zusammen. Gemeinsam. Marisa, ich liebe dich!«
    Donato merkte, wie ihm das Wasser in die Augen schoss. In der Linse der Kamera glaubte er seine Mundwinkel zittern zu sehen. Miguel filmte immer noch weiter. Donato streckte ihm abwehrend die Hand entgegen und rief: »Aus, aus!«
    Miguel richtete sich auf. Er lächelte Donato zu und murmelte, das alles gut werde. Da sei er ganz sicher. Nichts werde so heiß gegessen, wie es gekocht wurde, und so, wie er, Donato, an dieser Frau hänge, müsse sie schon ein Herz aus Stein haben, wenn sie nicht …
    »Wann sendet ihr es?«, fragte Donato.
    »Senden?«
    »Es muss so bald wie möglich geschehen, am besten heute noch.«
    »Wir sind von der Nachrichtenredaktion«, sagte Miguel. »Ich weiß nicht, ob …«
    »Es gibt ja nicht nur die Nachrichten«, sagte Donato. Die von Canale 5 hatten ihn überredet, sein Schlafzimmer zu vermieten. Sie waren dafür verantwortlich, dass Marisa ausgezogen war. Deswegen hatten sie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, jetzt ihren Teil beizutragen, dass alles wieder in Ordnung kam.
    »So läuft das nicht«, sagte der Kameramann. »In die einschlägigen Formate will halb Italien hinein. Da gibt es langwierige Auswahlverfahren. Selbst wenn wir ein gutes Wort einlegen, kann es Monate dauern, bis …«
    »Morgen. Spätestens morgen Abend. Und zwar vor Mitternacht«, sagte Donato. Er legte den Kopf in den Nacken. Über ihm hing das Ölgemälde, das sie mal auf dem Antiquitätenmarkt in Urbino gekauft hatten. Ein Meeresstrand im Abendlicht, der von unten irgendwie merkwürdig aussah. Donato richtete sich auf. Der Kleiderschrank, zwei Stühle, das Doppelbett mit den beiden Nachtschränkchen. Das Foto, das auf Marisas Seite stand, zeigte ihre verstorbenen Eltern. Donato sagte: »Wenn ihr es nicht sendet, werfe ich euch hinaus. Dreihundert Euro hin oder her. Das hier ist immer noch mein Schlafzimmer. Und das von Marisa natürlich.«
    Von: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    An: »Minh« [email protected]
    Mit großer Erleichterung können wir Ihnen einen Durchbruch in der politischen Diskussion mitteilen: Auf einer Sondersitzung des Kabinetts wurde beschlossen, Ihnen einen Fluchtwagen und zwei Millionen Euro in gebrauchten Scheinen anzubieten. Beides kann innerhalb einer Stunde bereitgestellt werden. Voraussetzung ist einzigund allein, dass Sie die Geiseln unversehrt freilassen.
    Von: »Minh« [email protected]
    An: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    Selten so gelacht! Ist der Fluchtwagen wenigstens ein Ferrari? Und wie weit würde ich damit kommen, bis Sie mich erledigen? Bis zur ersten, zweiten, dritten Straßensperre?
    Von: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    An: »Minh« [email protected]
    Natürlich sind wir nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zur Verfolgung von Straftätern verpflichtet. Es wäre jedoch nicht das erste Mal, dass uns ein Verdächtiger entkommt und spurlos untertaucht. Wir können Ihnen nur versichern, dass unser oberstes Ziel die Sicherheit der Geiseln ist.
    Von: »Minh« [email protected]
    An: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    Und deswegen soll ich sie aus der Hand geben? Genug gescherzt! Ich gebe Ihnen hiermit bekannt, dass der Prozess gegen den Gefangenen Russo abgeschlossen ist. Im Namen des Volkes wurde er zum Tod durch Erschießen verurteilt. Die Hinrichtung wird in genau fünfzehn Minuten erfolgen. Sie wissen, was Sie zu tun haben, um die Vollstreckung auszusetzen.
    Von: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    An: »Minh« [email protected]
    Sie können uns trauen. Wir wären sogar bereit, Ihnen die Flucht mit einer Geisel, die gegen die von Ihnen festgehaltenen ausgetauscht werden müsste, zu gestatten. Da wir auf einen Freiwilligen

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