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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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seit gestern bei Ihnen reserviert, Cormack.«
    Der Portier begrüßte ihn mit einem Lächeln. Jeff hatte den Mann hier noch nie gesehen, doch der kannte offenbar seinen Namen. »Monsieur Cormack! Jawohl, wir haben ein appartement für Sie, wie telegrafisch bestellt. Das wäre Nummer vierundzwanzig, Monsieur.«
    Jeff sah, daß die Bar noch aufhatte. Er würde sich eine Flasche gekühltes Mineralwasser kommen lassen, vielleicht auch einen Kaffee. Im Schlafzimmer – einem hübschen, geräumigen Zimmer mit angrenzendem Salon –
    hängte Jeff seinen dunkelblauen Anzug auf und warf den zusammengelegten weißen Seidenpyjama auf das schon 325
    aufgedeckte Bett. Nachdem er sich im Bad Gesicht und Hände gewaschen hatte, griff er zum Telefon. Eine ebenso plötzliche wie unbegründete Ahnung sagte ihm, daß Kyrogin im George V sei, und dem Verdacht wollte er gleich nachgehen.
    Es klopfte leise, und Jeff legte den Hörer auf die Gabel zurück.
    Vor der Tür stand ein Page mit einem Kuvert auf einem Tablett. »Telegramm für Sie, Monsieur. Bitte verzeihen Sie, daß man es Ihnen nicht gleich am Empfang
    ausgehändigt hat.«
    »Danke«, sagte Jeff. Er nahm das Telegramm, schloß die Tür, riß den Umschlag auf und las:
    ENTWEDER INTERCONTINENTAL ODER GEORGE v
    Ein Lächeln huschte über Jeffs Gesicht. Er hatte also recht gehabt mit dem George V. Das war ein gutes Omen.
    Das Telegramm trug keine Unterschrift, aber Jeff wußte auch so, daß es von Ed Simmons kam. Ed hatte in New York und Moskau alle Register gezogen, um Kyrogins Hotel in Paris ausfindig zu machen und Jeff damit wertvolle Zeit zu sparen.
    Jeff griff erneut zum Telefon. »Ich hätte gern das Hotel George V, bitte.« In Sekundenschnelle war er mit der Tele-fonzentrale vom George V verbunden. Könnte ich bitte Monsieur Kyrogin sprechen? K-y-r-o-g-i-n.«
    »Einen Moment, Monsieur.«
    Falls der Portier Bedenken hätte, ihn so spät noch durch-zustellen, würde Jeff einfach behaupten, Monsieur Kyrogin erwarte seinen Anruf, egal, um welche Zeit.
    326
    »Bedaure, mein Herr, aber Monsieur Kyrogin ist nicht bei uns abgestiegen.«
    »Darf ich fragen, wann Sie ihn erwarten?« erkundigte Jeff sich mit beherzter Stimme.
    »Überhaupt nicht, Monsieur. Ich habe die Reservie-rungsliste vorliegen. Der Name Kyrogin ist nicht verzeichnet.«
    »Verstehe. Besten Dank.« Jeff legte auf. Er war enttäuscht. Hatte sich der Hotelangestellte auch bestimmt nicht geirrt?
    Blieb immer noch das Intercontinental. Jeff griff abermals zum Telefon und warf dabei einen Blick auf seine Armbanduhr. Punkt zwei. Er wählte die Nummer vom Empfang und bat um eine Verbindung mit dem Intercontinental.
    »Moment bitte, Monsieur«, sagte der Portier des Intercontinental. Und dann, einen Augenblick später: »Er ist noch nicht eingetroffen, mein Herr.«
    Jeff lächelte erleichtert. »Dann erwarten Sie ihn also …
    wann?«
    »Jeden Moment, Monsieur. Hier steht, daß er heute abend ankommt, aber möglicherweise erst sehr spät.«
    »Würden Sie ihm etwas ausrichten? Er möchte doch bitte Monsieur Cormack im Hotel Lutetia anrufen. Sagen Sie ihm, es sei sehr dringend und daß er mich heute die ganze Nacht erreichen kann. In Ordnung?«
    »Jawohl, Monsieur! Wird erledigt, Monsieur.«
    Jeff war trotzdem nicht sicher, ob Kyrogin ihn heute 327
    nacht noch zurückrufen würde. Wenn er um drei Uhr morgens todmüde ins Hotel kam, bestimmt nicht – und falls er eben jetzt mitsamt seinem Gepäck irgendwo in Paris mit einem von Jeffs Konkurrenten zusammensaß und vielleicht mit ihm handelseinig wurde, natürlich erst recht nicht. Trotzdem, Kyrogin würde seine Nachricht verstehen und wissen, daß der Name Cormack zu Ander-Mack gehörte. Jeff blieb also nichts anderes übrig, als heute nacht aufzubleiben und ungefähr alle Viertelstunde im Intercontinental anzurufen, in der Hoffnung, Kyrogin bei der Ankunft im Hotel zu erwischen oder jedenfalls, bevor er zu Bett ging und keine Gespräche mehr entgegennahm.
    Jeff packte seine restlichen Sachen aus, legte den Aktenkoffer auf den Schreibtisch im Schlafzimmer und sein Notizbuch auf den ovalen Tisch neben das Telefon im Salon. Er hatte noch ein zweites Telefon am Bett. Als er fertig ausgepackt hatte, rief er den Zimmerservice an und bestellte eine große Flasche Vichy. »Stellen Sie's einfach in meine Suite, ja? Ich gehe noch auf einen Kaffee in die Bar.« Jeff verspürte einen plötzlichen Drang nach Bewegung.
    Er ging über die Treppe nach unten. Das erste, was er sah, das

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