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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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sagen am Empfang Bescheid«, meinte er und nahm ihren Koffer. Der Panda saß immer noch in der Reisetasche. Draußen erklärte er dem Portier: »Mademoiselle hat sich entschlossen, in meiner Suite zu warten.«
    Der Portier wirkte ein bißchen überrascht, aber dann 331
    schien er erleichtert, daß sich das Problem doch noch gelöst hatte. »Très bien, Monsieur.« Er nickte und wünschte ihnen eine gute Nacht.
    Sie fuhren mit dem automatisch gesteuerten Lift nach oben. Vor seiner Suite angelangt, zog Jeff den Schlüssel aus der Tasche und sperrte auf. Er hatte das Licht brennen lassen. Mit dem Koffer des Mädchens folgte er ihr in den Salon und schloß die Tür. »Bitte, machen Sie sich's bequem«, sagte er und stellte den Koffer neben das Sofa.
    »Ins Bad geht's durchs Schlafzimmer. Ich erwarte noch einen Anruf – was Geschäftliches – und werde wohl die ganze Nacht aufbleiben müssen. Sie können also ungeniert durchgehen.«
    »Vielen Dank«, sagte das Mädchen.
    Dann war sie im Bad, ihr Mantel lag auf dem Sofa, der Koffer stand geöffnet am Boden, und Jeff horchte auf das Rauschen des Wassers. Er fühlte sich seltsam benommen, fast ängstlich. Und ihm ging auf, daß er gar nicht wissen wollte, ob das Mädchen Phyls Tochter war. Er würde ihr vorsichtshalber keine Fragen stellen, die Aufschluß über ihre Mutter geben konnten. Jeff griff zum Telefon und ließ sich noch einmal mit dem Intercontinental verbinden. Es war jetzt 2 Uhr 37.
    »Nein, Monsieur Kyrogin ist noch nicht eingetroffen, Monsieur«, sagte die Männerstimme am anderen Ende.
    »Danke.« Plötzlich sank ihm der Mut. Er stellte sich vor, Kyrogin sei am Flughafen von einem findigen Konkurrenten abgefangen worden, der herausgebracht hatte, mit welcher Maschine er kam, und der nun mit ihm in einer 332
    Bar oder gar in seinem Hotelzimmer zusammensaß und ihm sein Konzept andrehte. Womöglich begossen sie gerade ihren Abschluß mit Wodka.
    Als das Mädchen zurückkam, stand Jeff immer noch neben dem Telefon.
    »Das ist wunderbar!« sagte sie, und ein Lächeln huschte über ihr erfrischtes Gesicht.
    Jeff nickte zerstreut. Er war gerade dabei, die Flugzeit zwischen Moskau und Paris auszurechnen. Ob Kyrogin vielleicht, trotz der Reservierung im Intercontinental, in einem anderen Hotel abgestiegen war? Natürlich, warum nicht? »Ich geh rüber ins Schlafzimmer. Dann können Sie sich's hier bequem machen. Sie sind doch sicher müde. Ich glaube, das Sofa da ist grade lang genug für Sie.«
    Sie hatte sich bereits hingesetzt und die Schuhe ausgezogen. »Warum müssen Sie die ganze Nacht aufbleiben?«
    fragte sie mit kindlicher Neugier.
    »Weil… weil ich jemanden zu erreichen versuche, der heute aus Moskau hätte kommen sollen. Aber bis jetzt ist er noch nicht in seinem Hotel.«
    »Moskau … sind Sie bei der Regierung?«
    »Nein, ich bin ein einfacher Ingenieur.« Jeff lächelte.
    »Möchten Sie einen Schluck Mineralwasser? Das ist alles, was ich Ihnen anbieten kann.« Die Flasche Vichy stand in einem Eiskübel auf dem ovalen Tisch.
    Das Mädchen bejahte, und Jeff schenkte ihr ein. Dann ging er ins Bad, um für sich ein zweites Glas zu holen. Das Mädchen hatte, wahrscheinlich aus Gewohnheit, den Waschlappen über dem Beckenrand liegenlassen. Jeff 333
    nahm die Krawatte ab, öffnete den Kragenknopf und zog sein Jackett aus. Dann ging er zurück in den Salon und goß auch sich ein Glas Vichy ein. Er hatte richtig Durst.
    »Ich geh mich jetzt duschen«, sagte er. »Wenn das Telefon klingelt, dann rufen Sie mich, ja? Ich weiß nicht, ob ich das Läuten vom Bad aus hören kann.«
    »Klar.«
    Jeff duschte, schlüpfte in seinen Pyjama und zog mit Rücksicht auf das Mädchen einen blauweiß gestreiften Bademantel darüber. Er hatte die Tür zum Salon zugemacht, und jetzt klopfte er an, aber leise, für den Fall, daß sie schon eingeschlafen war.
    »Ja?«
    Er öffnete die Tür. Das Mädchen hatte sich auf dem Sofa zurückgelehnt. Sie war immer noch angezogen und las in einer Illustrierten.
    »Ich wollte nur sagen: Falls Sie auch duschen möchten oder vielleicht ein Bad nehmen, dann tun Sie das ruhig. Sie wollen doch hoffentlich nicht auch die ganze Nacht aufbleiben?«
    »Ich weiß nicht. Auf einmal bin ich gar nicht mehr müde. Vielleicht bin ich schon über den toten Punkt hinaus. Außerdem komme ich mir hier so seltsam vor.«
    Jeff lachte. »Es ist eine seltsame Nacht. Besser gesagt, ein seltsamer Morgen. Ich muß noch mal versuchen, mein Opfer zu erreichen, und

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