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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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erste, was ihm ins Auge sprang, als er die Halle betrat, war das Mädchen. Wieder das Mädchen. Ja, es war dasselbe Mädchen, mit den langen braunen Haaren und dem marineblauen Mantel. Sie stand am Empfang und sprach mit dem Nachtportier. Jeff steuerte mit gespielter Gleichgültigkeit auf den Empfang zu.
    Der Portier sah ihn fragend an, und Jeff sagte: »Ich erwarte jeden Moment einen Anruf und wollte Ihnen nur 328
    sagen, daß ich die nächste Viertelstunde in der Bar zu erreichen bin.«
    »Oui, Monsieur«, sagte der Portier.
    Das Mädchen erkannte ihn wieder. »Hallo… was für ein Zufall!« Sie wirkte ein bißchen müde und irgendwie beunruhigt.
    Jeff lächelte. »Ja, nicht wahr?« Die Bar war schon fast leer, als er hineinkam. Er setzte sich auf einen Hocker an der Theke. Als der Barkeeper ein frisch poliertes Glas absetzte, bestellte Jeff einen Kaffee.
    »Wir schließen gleich, Monsieur, aber für einen Kaffee reicht's gerade noch.«
    Das Mädchen – Jeff sah sie nur zur Hälfte, Hinterkopf und Mantelrücken – blieb erst unschlüssig am Empfang stehen. Dann kam sie langsam mit Koffer und Reisetasche in die Bar. Sie streifte ihn mit einem flüchtigen Blick, nahm sich einen Hocker drei Plätze von ihm entfernt und belegte ihn mit ihrer Handtasche.
    »Haben Sie frisch gepreßten Orangensaft?« fragte sie auf englisch.
    »Bedaure, Mademoiselle, aber die Bar ist geschlossen«, antwortete, ebenfalls auf englisch, der Barkeeper, der sich wieder seinen Gläsern zugewandt hatte.
    »Könnte ich dann wenigstens noch ein Glas Wasser haben?« fragte das Mädchen.
    »Aber sicher.« Der Barkeeper schenkte ihr ein und stellte das Glas vor sie hin.
    Jeff nahm an, daß sie auf jemanden wartete. Vielleicht 329
    lautete die Zimmerreservierung nicht auf ihren Namen, weshalb das Hotel sie noch nicht hinauflassen konnte. Jeff widmete sich wieder seinem Kaffee, der sehr heiß war.
    Plötzlich spürte er, wie das Mädchen ihn ansah.
    »Können Sie sich das vorstellen, seit mindestens zwei Wochen habe ich hier ein Zimmer reserviert, und weil ich angeblich einen Tag zu früh komme – vielleicht hat jemand das falsche Datum eingetragen, mein Fehler ist es jedenfalls nicht…« Sie seufzte. »Also deswegen soll ich mich nun bis morgen mittag in die Halle setzen und warten, sofern sich nicht noch ein Zimmer in einem anderen Hotel findet, aber danach sieht's nicht aus, denn bei dreien haben sie schon vergebens angerufen.«
    Dieser Wortschwall brachte Jeff von seinem Hocker herunter. Genauso hatte Phyl sich angehört, wenn sie die Beherrschung verlor, und die Erinnerung daran machte ihn ganz benommen. Trotzdem versuchte er, dem Mädchen behilflich zu sein. In irgendeiner Flohbude bekam man bestimmt auch um diese Zeit noch ein Zimmer, nur glaubte er nicht, daß ihr eine solche Absteige recht gewesen wäre.
    »Das ist bitter… Und die haben hier nicht mal irgendein Kämmerchen frei?«
    »Nein! Ich hab wirklich alles versucht.« Sie nippte mit angewiderter Miene an ihrem Wasserglas.
    Jeff legte ein Fünffrancstück auf die Theke. »Ich rede mit dem Empfangschef, mal sehen, was sich machen läßt«, sagte er zu dem Mädchen und ging hinaus in die Halle.
    Der Portier war zuvorkommend wie immer. »Ich weiß, Monsieur Cormack«, sagte er, »man hat sich bei der Re-330
    servierung im Datum geirrt. Um einen Tag. Aber wir haben einfach nichts mehr frei, nicht einmal die kleinste Not-unterkunft. Höchstens ein Feldbett auf dem Flur beim Personal – aber das wäre ja lächerlich! Und die weniger guten Hotels – die gehen um die Zeit nicht mal mehr ans Telefon!« Er zuckte bedauernd die Achseln.
    »Verstehe.« Jeff ging zurück in die Bar.
    Das Mädchen sah ihm mit banger Hoffnung entgegen.
    »Da ist leider nichts zu machen. Aber wenn es nur ums Warten geht…« Er rang nach Worten, vergewisserte sich, daß er nichts weiter im Sinn hatte, als ihr behilflich zu sein, und fuhr dann hastig fort: »Also in meiner Suite hätten Sie's bequemer als hier unten. Ich hab nämlich zwei Zimmer. Und für die paar Stunden, die von der Nacht noch übrig sind…« Das Mädchen zögerte, zu müde, um sich sofort zu entscheiden.
    »Wir könnten am Empfang Bescheid sagen, daß Sie in meiner Suite zu erreichen sind, falls Sie noch jemanden erwarten.«
    »Ja, aber erst morgen… Ehrlich gesagt würde ich sonstwas drum geben, wenn ich mir nur das Gesicht waschen könnte«, flüsterte das Mädchen. Sie schien den Tränen nahe.
    Jeff lächelte. »Na, dann kommen Sie, wir

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