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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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ihm als daran, daß ich mich noch nicht binden möchte. Ich 337
    bin schließlich erst achtzehn.«
    »Tja… können Sie denn die Hochzeit nicht verschieben?«
    »Do-och. Wenn's nach mir ginge, auf unbestimmte Zeit.« Sie leerte ihr Glas in einem Zug. »Hätten Sie bestimmt nichts dagegen, wenn ich kurz duschen ginge? Jetzt war mir wirklich danach.« Sie stand auf.
    »Fühlen Sie sich wie zu Hause«, sagte Jeff und wies mit dem Kopf in Richtung Badezimmer. »Sie können sich sogar meinen Bademantel ausborgen.«
    Das Mädchen zögerte in der Tür, als ob ihr die Entscheidung schwerfiele, dann sagte sie: »Den würde ich mir gern leihen, wenn ich darf, obwohl ich selbst einen dabei habe.« Und sie streckte die Hand aus.
    Lächelnd nestelte Jeff den Gürtel auf und reichte ihr den Bademantel. Ach, die Jugend! Sturm und Drang! Aufbegehren! Eileen wußte noch gar nicht, was es heißt, Probleme zu haben. Anscheinend war sie nicht einmal verliebt in den jungen Mann. Oder etwa doch? Jeff blickte in den hohen Spiegel zwischen den Fenstern, wie um sich zu vergewissern, daß er sich auch im Pyjama sehen lassen konnte, und plötzlich löste seine Gedankenkette eine weitere Erinnerung aus. Phyl hatte gegen ihren Verlobten Guy aufbegehrt – aus schierem Mutwillen. So jedenfalls wollte es Jeff in der Rückschau erscheinen – und der Gedanke war ihm furchtbar. Sie hatte Guy praktisch den Laufpaß gegeben und war für über ein Jahr mit ihm, Jeff, auf und davon. Dann hatte sie sich besonnen oder war –wie sie es ausdrückte – »zur Vernunft« gekommen. Aber wie hatte er 338
    darunter gelitten! Er litt bis heute, und der Schmerz war –
    selbst nach neunzehn Jahren – immer noch frisch. Dieser Eileen müßte mal jemand eine Lektion erteilen, dachte Jeff.
    Aber er würde sich nicht dafür hergeben.
    Wieder blickte er auf die Uhr, wie um sich auf seinen Auftrag, auf die Suche nach dem unzuverlässigen Kyrogin zu besinnen. Jetzt dauerte es nicht mehr lange, bis man im Hotel Frühstück bekam. Genau das, was er und das Mädchen brauchten, ein Siebenuhrfrühstück mit starkem Kaffee.
    Jeff lachte laut auf. Da war er nun, ein Mann von vierundvierzig Jahren, allein mit einem hübschen Mädchen in einer Pariser Hotelsuite, und statt daß er auch nur den geringsten Annäherungsversuch unternahm, wartete er ungeduldig auf das Frühstück um sieben oder womöglich noch zeitiger. Jeff starrte in seine lächelnden Augen, die ihn aus dem hohen Spiegel anblickten, und das Lächeln in den Augen erlosch ebenso wie zuvor das auf seinen Lippen. Schimmerten in seinen dunklen Haaren nicht ein paar graue Strähnen mehr als beim letzten kritischen Blick in den Spiegel? Er strich sich über die Wange. Eine Rasur könnte nicht schaden, dachte er. Als das Mädchen wieder hereinkam, war sie barfuß und trug ihre Kleider über dem Arm. Mit den feuchten Haaren sah sie sogar noch reizender aus als zuvor. »Worüber lachen Sie denn?«
    Jeff schüttelte den Kopf. »Das kann ich Ihnen nicht verraten.«
    »Sie haben über mich gelacht«, sagte sie.
    »Aber nein! … Was sagt denn übrigens Ihr Vater zu Ihrer Heirat?«
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    »Ach… Dad.« Sie warf sich wieder aufs Sofa. Ließ die Kleider achtlos neben sich fallen, griff nach einer Zigarette und zündete sie an. »Na ja, im Prinzip tut er so, als wolle er sich aus allem raushalten, aber diese Heirat ist ganz bestimmt auch in seinem Sinne. Jetzt jedenfalls. Schließlich habe ich mein Studium abgebrochen, weil ich dachte, ich hätte mich verliebt… und weil ich glaubte, daß ich lieber heiraten würde, als noch mal fast drei Jahre aufs College zu gehen. Verstehen Sie das?«
    Jeff saß inzwischen in einem Polstersessel. »Ich glaube schon. Mit anderen Worten, Ihre Eltern sind beide für die Hochzeit.«
    »Richtig. Aber Phyl – das ist meine Mutter –, also sie ist die treibende Kraft. Ich meine, sie setzt mich viel mehr unter Druck als Dad… Was haben Sie denn?«
    Jeff hatte weiche Knie; ihm schwindelte. Er richtete sich auf und beugte sich vor wie jemand, der gegen eine Ohnmacht ankämpft. »Nichts. Bin bloß auf einmal schrecklich müde. Ich glaub, ich leg mich kurz aufs Ohr. Ich brauche dringend ein paar Stunden Schlaf.«
    Damit stand er auf und goß etwas Scotch in sein leeres Glas. Er trank ihn pur, und als der Whisky ihm auf der Zunge und in der Kehle brannte, erwachten auch seine Le-bensgeister wieder.
    »Sie sind ja ganz blaß. Bestimmt haben Sie in letzter Zeit wahnsinnig geschuftet…«
    Plötzlich

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