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Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1

Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1

Titel: Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Lütke-Bohmert
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war er in seinem Willen noch bestärkt worden. Geerts spürte ein Kribbeln in der Magengegend. Noch immer konnte er sein Glück kaum fassen. Wenn es stimmte, was er in dem kurzen Telefonat erfahren hatte, war es ein ganz dicker Fisch, den er da an der Angel hatte. Vor seinem geistigen Auge konnte er die Schlagzeile schon prangen sehen: „Kölner Journalist lässt Geheimbund auffliegen. Mitglieder aus Politik und Wirtschaft enttarnt.“ Aber wenn es stimmte, was der Unbekannte gesagt hatte – dass er ein Freund von Frank Laurenz sei – wieso hatte er dann seinen Namen nicht nennen wollen?
    Geerts hatte die Brücke überquert und lief linker Hand ein Stück am Rheinufer entlang, bis er in die Mühlengasse einbog. Als er das Wallraff-Richartz-Museum erreichte, schlenderte ein Liebespaar eng umschlungen die Bolzengasse entlang. Nach wenigen Minuten waren die Turteltauben aus seinem Gesichtsfeld entschwunden. Er sah auf die Uhr. Kurz vor elf. Sein Informant müsste jeden Moment kommen. Geerts war gespannt, welchen Preis der Unbekannte für die Mitgliedsliste der Bruderschaft verlangen würde. Egal wie viel. Er würde zahlen. Diese Story war seine große Chance, auch wenn Enthüllungsjournalismus nicht in sein Metier fiel.
    Er wartete. Zehn Minuten. Zwanzig. Henning Geerts wartete, bis es fast zwölf war. Dann ging er fluchend davon.
    Eigentlich hätte er es sich ja denken können. Ein Jux. Ein Kollege musste ihn verarscht haben. Und er hatte sich in Gedanken schon im journalistischen Olymp gewähnt. Auf der Hohenzollernbrücke drehte er sich noch einmal um und betrachtete den Dom.
    Wäre ja auch zu schön gewesen.
    Die Umrisse des Messegeländes und des alten Deutzer S-Bahnhofs zeichneten sich in der Ferne ab, als Geerts seinen Gang über die Brücke wieder aufnahm. Fast genau an der Stelle, an der er selbst auf dem Hinweg haltgemacht hatte, lehnte eine Gestalt am Geländer und sah auf den Rhein hinab. Als er den in einen langen Mantel und Seemannsmütze gekleideten Nachtschwärmer passierte, konnte er sich ein „Schöne Aussicht, nicht wahr?“ nicht verkneifen. Der Mann reagierte nicht. Geerts spazierte weiter.
    Den Schlag auf den Kopf nahm er überhaupt nicht richtig wahr. Spürte nur, wie ihm das Kinn abrupt auf die Brust knallte. In einem letzten Reflex riss er die Hände über den Kopf. Wunderte sich über das warme Nass, das durch seine Finger sickerte. Metall donnerte gegen seinen Unterkiefer. Die Wucht des Schlags ließ ihn nach hinten stürzen. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Henning Geerts, das Gesicht des Angreifers zu erkennen, dann krachte das kalte Metall in seine obere Gesichtshälfte. Die Welt versank in tiefstem Schwarz. Explosionen durchzuckten seinen Körper. Noch ein Schlag. Und noch einer.
    Kräftige Arme umklammerten seine Oberschenkel. Hoben ihn in die Höhe. Über das Geländer. Ließen ihn unvermittelt los.

Die Fingerfertigkeit eines Uhrmachers
     
    Das letzte Geleit. Dichter Nieselregen tauchte den Zentralfriedhof in fahlen Dunst. Schweigend zog die Prozession der Trauernden von der kleinen Kapelle, durch das Labyrinth der schmalen Gehwege bis hin zu jenem frisch ausgehobenen Grab, in das man in wenigen Minuten den schlichten Kiefernsarg herablassen würde. Eva hakte sich bei mir ein und starrte mit geröteten Augen auf den lehmigen Boden zu ihren Füßen, als hätte sie Angst, das Gleichgewicht zu verlieren. Stefan Marcks hatte einen Platz im hinteren Teil des Trauerzuges eingenommen, zusammen mit den anderen Kommilitonen aus Franks Kolloquium. Auch Jan Lohoff und Walter Beekmann waren gekommen. Zuvor, in der kleinen Kapelle, hatte ich Beekmanns gedrungene Gestalt beobachtet - majestätisch, unnahbar, über jede Gefühlsregung erhaben - und dabei jeglichen Blickkontakt vermieden.
    Mit einer Ausnahme war ich von Beerdigungen bis heute verschont geblieben. Meine Großeltern waren gestorben, bevor ich eingeschult wurde. Ich habe keinerlei Erinnerung an sie. Bei meiner Geburt hatten meine Eltern die Vierzig bereits überschritten. Barbara und ich liegen fast fünfzehn Jahre auseinander, und so oft meine Eltern auch beteuern mochten, ich sei ein Wunschkind gewesen – ich habe es ihnen nie geglaubt. Meine Existenz beruht auf einem Unfall. Kein schönes Gefühl. Die einzige Beerdigung in meinem Leben, ist die meines Vaters gewesen. Damals wie heute hatte man bei der Andacht auf einen Abschied am offenen Sarg verzichtet. Vater war in den letzten Monaten seines hoffnungslosen Kampfes zu

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