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Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1

Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1

Titel: Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Lütke-Bohmert
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einem ausgemergelten, mit rauer, beinahe lederartiger Haut überzogenen Skelett abgemagert. Mundhöhlenkrebs. Logische Konsequenz seines exzessiven Zigaretten- und Alkoholkonsums. Meine Mutter hat mir nie verziehen, dass ich mich in der Phase seines Dahinsiechens nicht mit ihm versöhnt habe. Im Rückblick kann ich sie verstehen. Ich hatte mit der Tradition gebrochen. Mich meiner Verantwortung entzogen. Vaters Malerbetrieb, seit drei Generationen in Familienhänden, war sein ganzer Stolz gewesen. Durchtränkt mit Herzblut. Doch Otto Kramer war ein Choleriker und Despot, der seinen Betrieb und seine Familie mit harter Hand führte. Einer Hand, die nicht selten auf mich eindrosch, wenn meine schulischen Leistungen nicht den Erwartungen gerecht wurden oder ich mich störrisch und aufmüpfig zeigte. Was nicht passt, wird passend gemacht. Altes Handwerkercredo.
    Erst mit siebzehn konnte ich den Mut aufbringen, mich zu wehren. Vater hatte mit seinen Skatbrüdern die halbe Nacht durchzecht, und als er nach Hause kam, war er wohl in der richtigen Stimmung gewesen, mir den hundertsten Vortrag zu halten, wie gut ich es hätte und wie hart das Leben doch in seiner Jugend war. Halb benommen – es war vier Uhr nachts – murmelte ich nur, dass ich am nächsten Morgen eine Mathearbeit zu schreiben hätte. Vaters Gürtel war schneller aus den Schlaufen gezogen, als ich drei Schäfchen hätte zählen können, und bevor ich realisierte, was jetzt kommen würde, traf mich die Gürtelschnalle mit voller Wucht im Gesicht.
    Zu einem zweiten Schlag kam es nicht. Nie mehr. Es war einer dieser seltenen Momente im Leben, die man getrost als Wendepunkt bezeichnen kann. Ich packte meinen Vater am Handgelenk, drehte seinen Arm nach hinten und stieß ihn aus meinem Zimmer, dass er bäuchlings durch den Flur rodelte. Mutter stand in der Tür zum elterlichen Schlafzimmer und presste die Hände vor den Mund. Ich drehte mich um, ohne ein Wort zu sagen, und verschloss meine Zimmertür. Lag den Rest der Nacht wach, unsicher was der nächste Tag bringen würde.
    Am Frühstückstisch verlor niemand auch nur ein Wort über das Vorgefallene. „Das muss genäht werden“, war alles, was mein Vater, den verkrusteten Riss auf meiner Wange musternd, von sich gab.
    Ich war frei.
    Als ich meinem Vater nach dem Zivildienst erklärte, dass ich studieren wolle, hielt er es zunächst für eine Laune. Vielleicht sah er in mir nur den Möchtegernrebellen, der aus jugendlichem Leichtsinn und Mangel an Erfahrung gegen die elterlichen Pläne aufbegehrt. Vielleicht klammerte er sich auch an den unerschütterlichen Glauben, ich würde früher oder später reumütig in den wohlbehüteten Schoß der Familie zurückkehren. Ich zog in ein Wohnheim nach Münster und dachte nicht daran umzukehren. Natürlich drehte Vater mir umgehend den Geldhahn zu, wie er es immer getan hatte, wenn seine kümmerlichen Argumente nicht fruchten wollten. Umso überraschter war ich, als er mir in seinem Testament vom Verkaufserlös der Firma – er hatte diesen Schritt bis zum Vorabend seines Todes hinausgezögert - einen nicht eben geringen Anteil zukommen ließ. Vielleicht war es aber auch nur sein letzter erbärmlicher Versuch gewesen, mir ein schlechtes Gewissen zu verpassen.
    Bernhard Laurenz´ Bedenken, die Trauerfeier könnte zu einer Plattform für pöbelnde Zaungäste werden, erwiesen sich als unbegründet. Zwar wurde die Beerdigung von zwei Beamten in Zivil diskret überwacht, aber von einigen Schaulustigen abgesehen, die sich in der Nähe des Grabes tummelten und verstohlene Blicke riskierten, gab es keinerlei störende Elemente, die ein Eingreifen erforderlich gemacht hätten.
    Die Spitze des Trauerzuges hatte das Grab erreicht. Einer trägen Raupe gleich, kamen auch die nachfolgenden Zweierreihen stockend zum Stillstand. Ich stierte wie paralysiert auf den Sarg, der, von Tauen gehalten, Stück für Stück aus meinem Gesichtsfeld entschwand, und lauschte den enigmatischen Worten des alten Geistlichen, der mit geheuchelter Anteilnahme die ewig gleiche Litanei herunterbetete, als habe er jeden Tag ein Gespräch mit Frank geführt. Er faselte von Neuanfang, von der Vergebung der Sünden, vom guten Hirten, der auch diejenigen Schafe mit Freuden wieder aufnimmt, die den Pfad der Tugend verlassen hatten. Einem Menschen zuzuhören, der sich ein Urteil über einen anderen Menschen anmaßte, ohne ihm je begegnet zu sein, bereitete mir ein Gefühl von Abscheu. Heute hieß die Variable Frank

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