Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1
Nerven. Die Bullen haben sich wohl einen Spaß daraus gemacht, ihn wie einen Verdächtigen zu behandeln. Von dir soll übrigens im Zusammenhang mit Franks Videobotschaft auch die Rede gewesen sein. Wenn ich dir einen Tipp geben darf, geh Jan lieber aus dem Weg. Ich hab den Eindruck, er ist nicht gerade gut auf dich zu sprechen.“
„Und warum geht es dir nicht genauso?“
„Frank hat mir mal erzählt, dass er sich in Münster, obwohl er hier geboren und aufgewachsen ist, erst durch die Freundschaft zu dir wieder heimisch fühlen würde. Ich habe keine Ahnung, wieso du mit seinem Selbstmord in Verbindung gebracht wirst.“ Er fuhr mit einem Finger über den Rand seines Glases. „Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr er dir fehlt. Weißt du, wann die Beerdigung sein wird?“
„Morgen früh“, sagte ich. „Franks Vater ruft mich noch an, um Bescheid zu sagen, ob auch eine Messe stattfinden wird. Vorher will er noch mit der Polizei über Sicherheitsvorkehrungen reden. Ich kann mich ja gegen Abend bei dir melden, wenn du auch kommen willst.“
„Danke. Natürlich komme ich. Du solltest auch bei Eva anrufen. Es gibt keinen Grund, sie auszuschließen.“
„Werd ich machen.“
Ich unterdrückte die Versuchung, mir einen weiteren Ramazotti zu bestellen. Wieder entstand eine Pause. Das Gespräch schien sich dem Ende zu nähern.
„Was deine Hypothese mit Beekmann betrifft“, setzte Stefan noch einmal an. „Ein guter Logiker sollte alle Möglichkeiten prüfen, bevor er eine zur Wirklichkeit erklärt.“
„Ach ja? Dann lass mal eine Alternative hören, Aristoteles. Im kluge Reden schwingen seid ihr Philosophen echt unschlagbar.“
„Ich habe nicht gesagt, dass ich eine Lösung parat hätte, nur, dass du dich nicht zu schnell auf das vermeintlich Naheliegende festlegen solltest. Wäre es nicht zum Beispiel auch denkbar, dass Beekmann und Jan von der Polizei vorgeladen worden sind? Routinemäßige Befragung oder so was? In dem Fall wären keine Beziehungen nötig gewesen, und der Zeitpunkt würde auch Sinn machen.“
Ich ließ mir Stefans Variante durch den Kopf gehen und verglich sie mit meiner eigenen Hypothese. Zugegeben, sie war keineswegs unwahrscheinlicher. Und doch nahm in meinem müden Geist ein anderer Gedanke Konturen an. Eine Idee, die so ungeheuerlich war, dass ich sie kaum auszusprechen wagte. Ich ließ den Blick über den Prinzipalmarkt schweifen. Im Hintergrund reflektierten die drei Eisenkäfige hoch oben an der Lambertikirche, letzte Zeugen des Kampfes gegen die Wiedertäuferbewegung des sechzehnten Jahrhunderts, das Sonnenlicht.
„Wie wäre es mit einer weiteren Alternative?“
Stefan beugte sich vor. „Und die wäre?“
Auch ich neigte den Oberkörper über den Tisch.
„Beekmann hat von Franks Selbstmord gewusst, ohne von jemandem informiert worden zu sein.“
Glühende Kohlen
Werner Tillack setzte dem Grauen mit einem unerreichbaren Volley ein Ende. Rensing sah verlegen zu, wie Karl Hagner seinen Schläger mit hochrotem Kopf auf den Hallenboden schmetterte. 2:6 und 1:6. Eine dermaßen böse Klatsche hatten sie noch nie kassiert.
Hagners Anteil an der herben Niederlage war verschwindend gering. Es war Rensing, der das Match mit zahlreichen Doppelfehlern und dilettantischen Schlägen vergeigt hatte. Schuldbewusst reichte er seinem Kollegen die Hand. „War wohl nicht mein Tag heute.“
„Nicht dein Tag?“ Hagner hasste es zu verlieren. Erst recht gegen die Jungs der Pressestelle. „Toll, Martin. Das dürfen wir uns jetzt tagelang anhören.“
„Jetzt reg dich mal nicht auf, Karl. Das war doch nur ein Tennisspiel.“
„Na, wenn das so ist, kann ich mit meiner Freizeit auch was Besseres anfangen. Musste das gerade heute sein? Gegen diese dummschwätzenden Sesselfurzer?“
Rensing konnte ein Lachen nicht unterdrücken. „Wenn man dich so reden hört, ist es kein Wunder, dass der Polizei ständig ein latenter Hang zu Unbeherrschtheit nachgesagt wird. Und wenn du jetzt nicht bald aufhörst, kannst du ab morgen wieder auf Streife gehen.“
„Jetzt komm mir nicht mit deinem Chefgehabe“, giftete Hagner zurück. „Wenn ich morgen auch nur einen blöden Spruch zu hören kriege, lass ich mich zur Sitte versetzen.“
Gemächlich trotteten sie zum Netz, um Werner Tillack und seinem Partner Bernd Kruse zum Sieg zu gratulieren.
„Was war das denn, Martin?“, fragte Tillack. „Lässt Angelika dich nicht mehr ran?“
„Hau mal nicht so auf den Putz, Großmaul.“ Karl
Weitere Kostenlose Bücher