Die Augen der Ueberwelt
blinzelte, ihre Mundwinkel sackten nach unten. Ihr unfreundlicher Ton stand im Widerspruch zu ihren Worten: »Es hat den Anschein, als wäre mein Benehmen unbedacht gewesen. Ich erkannte Euren hohen Stand nicht und hielt Euch für den verruchten Taugenichts, der Ihr nach Eurem Aussehen zu sein scheint.«
Cugel trat auf sie zu, legte die Hand unter ihr schmales Kinn und hob ihr feingeschnittenes Gesicht. »Und doch ludet Ihr mich ein, Euch in Eurem Palast zu besuchen. Erinnert Ihr Euch daran?«
Widerstrebend nickte das Mädchen.
»Und nun bin ich hier!«
Derwe Coreme lächelte flüchtig, fast gefällig. »So ist es, und Bube, Vagabund oder was immer Ihr dem Wesen nach seid, Ihr tragt das Amulett, durch welches das Haus Slaye über zweihundert Generationen herrschte. Seid Ihr aus diesem Hause?«
»Ihr werdet mich bald näher kennenlernen«, entgegnete Cugel. »Ich bin ein großzügiger Mann, neige allerdings zu schrulligen Launen, und wäre da nicht ein gewisser Firx ... Doch wie dem auch sei, ich bin hungrig und lade Euch zu dem Bankett ein, das ich dem lobenswerten Yodo aufzutragen befahl. Habt die Güte, ein oder zwei Plätze zur Seite zu rücken, damit ich gegenüber der Tür sitzen kann.«
Derwe Coreme zögerte, woraufhin Cugel bedeutungsvoll nach dem Amulett langte. Nun beeilte sie sich zu gehorchen, und Cugel setzte sich auf den Stuhl, den sie verlassen hatte. Er klopfte auf die Tischplatte. »Yodo? Wo ist Yodo?«
»Ich bin hier, Eure Erhabenheit!«
»Setz uns nun die Speisen vor: das Feinste, das der Palast zu bieten hat!«
Yodo verbeugte sich tief. Er eilte davon, und sofort kam eine Reihe Diener herbei, die vollbeladene Tabletts und Kristallkaraffen trugen und aufzutischen begannen: ein Festmahl, das Cugels Vorstellungen noch übertraf.
Cugel prüfte alles mit dem Plättchen, das Iucounu ihm als Anhänger mitgegeben hatte, und das nicht nur Ungenießbares genießbar machte, sondern auch durch einen sanften Ton vor Giften und überhaupt Schädlichem warnte. Die ersten paar Gänge waren bekömmlich, und Cugel sprach ihnen eifrig zu, genau wie den alten Weinen aus Cil, die er aus Kelchen von schwarzem Glas mit Zinnoberschliff und mit Türkisen und Perlmutt eingelegtem Elfenbein trank.
Derwe Coreme stocherte nur in ihrem Essen und nippte vom Wein, dabei hing ihr Blick nachdenklich an Cugel. Weitere Köstlichkeiten wurden aufgetragen, und nun lehnte Derwe Coreme sich vor. »Beabsichtigt Ihr wahrhaftig, über Cil zu herrschen?«
»Das ist mein Herzenswunsch«, erklärte Cugel nachdrücklich. Derwe Coreme rückte näher zu ihm. »Wollt Ihr mich zur Gemahlin nehmen? Sagt ja, Ihr werdet mehr denn zufrieden mit mir sein.«
»Wir werden sehen«, antwortete Cugel zurückhaltend. »Heute ist heute, morgen ist morgen. Es wird viele Veränderungen geben, das ist sicher.«
Derwe Coreme lächelte leicht und nickte Yodo zu. »Bring unseren ältesten und besten Jahrgang – wir wollen auf den neuen Lord von Cil trinken.«
Yodo verneigte sich. Er kam mit einer staubigen Flasche zurück, an der noch Spinnwebfäden hingen. Mit größter Sorgfalt dekantierte er den edlen Tropfen und schenkte ihn in Kristallkelche. Cugel hob seinen, da piepste der Anhänger ganz schwach. Sofort setzte Cugel den Wein ab und beobachtete, wie Derwe Coreme ihren an die Lippen hob. Er nahm ihr den Kelch weg, und wieder piepste der Anhänger. Gift in beiden Kelchen? Merkwürdig! Vielleicht hatte sie nicht wirklich beabsichtigt zu trinken. Oder sie hatte zuvor ein Gegenmittel eingenommen.
Cugel winkte Yodo herbei. »Noch einen Kelch, sei so gut – und die Karaffe.« Cugel schenkte selbst ein. Erneut warnte das Metallplättchen. Cugel sagte: »Obgleich meine Bekanntschaft mit dem lobenswerten Yodo noch kurz ist, erhebe ich ihn zum Haushofmeister des Palasts.«
»Eure Er-erhabenheit«, stammelte Yodo. »Das ist wahrhaftig eine unerwartete Ehre.«
»So trink von diesem köstlichen Jahrgang auf deine neue Würde.«
Yodo verbeugte sich tief. »Mit meiner von ganzem Herzen kommenden Dankbarkeit, Eure Erhabenheit.« Er hob den Kelch und trank. Derwe Coreme sah ihm gleichmütig zu. Yodo stellte den Kelch ab, runzelte die Stirn, zuckte krampfartig, warf einen betroffenen Blick auf Cugel, stürzte auf den Teppich, röchelte, zuckte noch einmal und war still.
Finsterer Miene betrachtete Cugel die junge Frau. Sie schien genauso erschrocken zu sein, wie Yodo es kurz gewesen war. Nun blickte sie Cugel an. »Warum habt Ihr ihn vergiftet?«
»Nicht
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