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Die Augen der Überwelt

Die Augen der Überwelt

Titel: Die Augen der Überwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Frühstück sammelten sich die Pilger auf der Straße. Lodermulch, der die Nacht hier auf und ab gestiefelt war, schloß sich ihnen an.
    Garstang zählte seine Schäfchen, dann blies er mit aller Kraft in seine Pfeife. Die Pilger marschierten los, über die Brücke zunächst, dann am Südufer des Ascs entlang in Richtung Erze Damath.

Das Floß auf dem Strom
     
     
    Drei Tage folgten die Pilger dem Ascufer. Des Nachts schliefen sie hinter einem Schutzzaun, den der Magier Voynod aus einem Kreis Elfenbeinsplitter zauberte. Das war eine dringende Vorsichtsmaßnahme, denn außerhalb des Feuerscheins trieben sich finstere Gestalten herum, die sich zu gern näher mit den Pilgern beschäftigt hätten: Deodanden mit schmeichelnder Stimme, Erbs, die abwechselnd auf zwei, dann auf vier Beinen herumschlichen und sich in keiner Haltung wohlfühlten. Einmal versuchte ein Gid, über den Zauberzaun zu springen. Ein andermal schlossen drei Hooner sich zusammen, um eine Bresche zu schlagen – sie nahmen einen Anlauf und warfen sich keuchend vor Anstrengung gegen den Zaun, während die Pilger im Innern des Zauberkreises ihnen gebannt zuschauten.
    Cugel trat heran und stieß mit einem brennenden Ast nach einem der sich plagenden Ungeheuer. Der Getroffene schrie wütend auf, und ein langer grauer Arm schnellte durch eine Zaunlücke. Hastig sprang Cugel um sein Leben. Der Zauberzaun hielt jedoch glücklicherweise, und schließlich gaben die Unholde auf und zogen untereinander streitend ab.
     
    Am Abend des dritten Tages erreichte der Pilgerzug die Mündung des Ascs in einen breiten, trägen Strom, den Scamander, wie Garstang ihn zu nennen wußte. In der Nähe erhob sich ein hoher Mischwald aus hauptsächlich Baldamen, Fichten und Spintheichen. Mit der Hilfe einheimischer Holzfäller wurden Bäume geschlagen, entastet und zum Ufer gezerrt. Dort baute man ein Floß. Die Pilger begaben sich darauf, dann stakte man es in die sanfte Strömung, die es gemächlich mit sich nahm.
    Fünf Tage lang trieb das Floß auf dem breiten Scamander dahin, zuweilen fast außer Sicht der Ufer, hin und wieder aber auch dicht an einem entlang, knapp vorbei am dichten Schilf. Da sie nichts Besseres zu tun hatten, führten die Pilger lange Streitgespräche. Es war erstaunlich, wie verschieden die Meinungen waren, gleichgültig, worum es sich handelte. Am häufigsten ging es um die Geheimnisse des Seins aus der Sicht der Glaubenslehren und um die Feinheiten der gilfigitischen Lehrsätze.
    Subucule, der frömmste der Pilger, erläuterte seinen Glauben in allen Einzelheiten. Er war ein Anhänger der orthodoxen gilfigitischen Theosophie, nach der Zo Zam, die achtköpfige Gottheit, sich nach Erschaffung des Kosmos eine Zehe abhackte, aus der Gilfig wurde, während aus den davonspritzenden Blutstropfen die acht Menschenrassen entstanden. Roremaund, ein Zweifler, griff diesen Lehrsatz an. »Wer erschuf denn Euren ›Schöpfer‹? Ein anderer ›Schöpfer‹? Viel einfacher ist es, sich an das Ergebnis zu halten, in unserem Fall eine erlöschende Sonne und eine sterbende Erde!« Was Subucule lautstark mit der Auslegung der gilfigitischen Schrift widerlegte.
    Ein Mann namens Bluner vertrat beharrlich seinen Glauben, demnach die Sonne eine Zelle im Leib einer mächtigen Gottheit war, die den Kosmos auf eine Weise erschaffen hatte, wie sie dem Wachstum der Flechten auf Gestein gleichkam.
    Subucule dachte eingehend darüber nach, ehe er fragte: »Wäre die Sonne eine Zelle, welcher Art ist dann die Erde?«
    »Ein winziges Tierchen, das sich von ihr ernährt«, antwortete Bluner. »Solche Abhängigkeiten sind allgemein bekannt und brauchen nicht zu überraschen.«
    »Wer greift dann die Sonne an?« erkundigte sich Vitz spöttisch. »Ein anderes Tierchen?«
    Bluner begann eine lange Ausführung in allen Einzelheiten, wurde jedoch von Pralixus unterbrochen, einem großen, dürren Mann mit stechenden grünen Augen. »Hört mir zu, ich kenne mich aus. Meine Doktrin ist die Einfachheit selbst. Eine große Zahl von Daseinsformen ist möglich, und eine noch größere Zahl ist unmöglich. Unser Kosmos ist eine mögliche – es gibt sie. Warum? Die Zeit ist unendlich, was besagt, daß jede mögliche Daseinsform einmal endet. Da wir in dieser besonderen leben und keine andere kennen, bilden wir uns ein, einzigartig zu sein. In Wahrheit aber wird es jedes mögliche Universum früher oder später geben, und nicht nur einmal, sondern viele Male.«
    »Obwohl ich ein frommer Gilfigite

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