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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Mauer der Nadel hinabließ. Sollte es später in dieser Nacht sein? Morgen Nacht? Nächste Woche? Oder …
    Flagg stieß sich heftig von seinem Schreibtisch ab und stand auf. Seine Augen füllten sich mit Feuer, während er sich in seinem dunklen, stinkenden Zimmer umsah.
    … war es bereits geschehen?
    »Genug!«, keuchte er. »Bei allen Göttern, die jemals waren und sein werden, es ist genug! «
    Er ging durch das dunkle Zimmer und ergriff eine riesige Waffe, die an der Wand hing. Sie war klobig, dennoch hielt er sie mühelos und fast mit Anmut. Ob er damit vertraut war? Aber natürlich war er das! Er hatte sie oftmals geschwungen, als er hier gewesen war und als Bill Hinch seinen Dienst versehen hatte, der gefürchtetste Scharfrichter, den Delain jemals gekannt hatte. Diese schreckliche Schneide hatte sich durch Hunderte von Hälsen gefressen. Über der Schneide, die aus zweifach
gehärtetem anduanischem Stahl bestand, hatte Flagg noch etwas Zusätzliches angebracht - eine Eisenkugel mit Dornen, und jeder Dorn war mit Gift getränkt.
    »GENUG!«, schrie Flagg noch einmal voll Wut und Frustration und Angst. Der zweiköpfige Papagei krächzte selbst in seiner Bewusstlosigkeit ängstlich.
    Flagg nahm den Mantel von dem Haken neben der Tür, warf ihn sich über die Schultern und schloss die Schnalle - einen gehämmerten silbernen Skarabäus - vor der Kehle.
    Es war genug. Seine Pläne würden nicht vereitelt werden, ganz gewiss nicht von einem einzigen verhassten Jungen. Roland war tot. Peyna entmachtet, die Adligen ins Exil getrieben. Niemand würde Aufhebens um einen toten Prinzen machen … schon gar nicht um einen, der seinen Vater ermordet hatte.
    Wenn du noch nicht entkommen bist, mein allerliebster Prinz, dann wird es dir auch niemals gelingen - und etwas sagt mir, dass du immer noch im Nest hockst. Aber ein Teil von dir WIRD heute Nacht entfliehen, das schwöre ich dir - der Teil, den ich an den Haaren heraustragen werde.
    Als er den Flur entlang zum Kerkertor ging, begann Flagg zu lachen - ein Laut, der einer Marmorstatue Albträume beschert hätte.

114
    Flaggs Intuition war richtig. Peter hatte sein Seil aus geflochtenen Leinensträngen fertig untersucht, aber er war immer noch in seiner Zelle und wartete darauf, dass der Nachtwächter Mitternacht verkünden würde, als Flagg aus dem Kerkertor herausstürmte und begann, den Platz der Nadel zu überqueren. Die Kirche der Großen Götter war eingestürzt, als es Viertel nach elf war, es war Viertel vor zwölf, als der Kristall Flagg zeigte, was er wissen wollte (und ihr werdet mir sicher zustimmen, wenn ich sage, dass er vorher versuchte, ihm die Wahrheit auf zwei andere Weisen begreiflich zu machen), und als Flagg über den Platz stürmte, fehlten immer noch zehn Minuten bis Mitternacht.
    Das Kerkertor befand sich an der nordöstlichen Seite der Nadel. An der Südwestseite befand sich eine kleine Schlosstür, die als Bettlerpforte bekannt war. Zwischen dem Kerkertor und der Bettlerpforte hätte man eine gerade diagonale Linie ziehen können. Genau in der Mitte dieser Linie befand sich die Nadel selbst.
    Fast zur selben Zeit, als Flagg aus dem Kerkertor kam, kamen Ben, Naomi, Dennis und Frisky aus der Bettlerpforte. Sie gingen, ohne es zu wissen, aufeinander zu. Die Nadel war zwischen ihnen, aber der Wind hatte sich gelegt, und Bens Gruppe hätte das Hallen von Flaggs Absätzen auf dem Kopfsteinpflaster hören müssen; Flagg seinerseits hätte das Quietschen eines ungeölten
Rades hören müssen. Aber alle, einschließlich Frisky (die wieder ihrer Hauptbeschäftigung, dem Ziehen nämlich, nachging), waren ganz in Gedanken.
    Ben und seine Gruppe erreichten die Nadel zuerst.
    »Jetzt …«, begann Ben, und genau in diesem Augenblick begann Flagg auf der anderen Seite, keine vierzig Schritte um die gekrümmte Mauer herum entfernt, mit der Faust gegen die Tür der Wachen zu hämmern, die mit drei schweren Eisenriegeln verschlossen war.
    »Aufmachen!«, kreischte Flagg. »Aufmachen, im Namen des Königs!«
    »Was …«, begann Dennis, doch dann legte ihm Naomi eine Hand wie Stahl über den Mund und sah Ben mit schreckgeweiteten Augen an.

115
    Die Stimme drang in der kalten Luft nach dem Sturm zu Peter hinauf. Sie war leise, diese Stimme, aber dennoch ganz deutlich zu hören.
    »Aufmachen, im Namen des Königs!«
    Aufmachen, im Namen der Hölle, meinst du, dachte Peter.
    Aus dem tapferen guten Jungen war ein tapferer guter Mann geworden, aber als er diese heisere

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