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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Stimme hörte, sich an das schmale weiße Gesicht und die roten Augen erinnerte, die stets von der Kapuze beschattet waren, wurden Peters Knochen zu Eis und sein Magen zu Feuer. Sein Mund wurde so trocken wie ein Holzscheit. Die Zunge klebte ihm am Gaumen. Seine Haare stellten sich auf. Wenn euch jemals jemand erzählt hat, gut und tapfer zu sein heißt, keine Angst zu haben, dann hat sich derjenige geirrt. In diesem Augenblick hatte Peter Angst wie noch nie in seinem ganzen Leben.
    Es ist Flagg, und er kommt, um mich zu holen.
    Peter stand auf, und einen Augenblick glaubte er, er würde fallen, weil seine Beine unter ihm nachgaben. Dort unten wartete der Tod, und er hämmerte an die Tür der Wachen.
    »Aufmachen! Auf die Beine, ihr verlausten, betrunkenen Halunken! Beson, du Sohn eines Trunkenbolds!«
    Nichts überstürzen, ermahnte sich Peter. Wenn du etwas überstürzt, wirst du einen Fehler machen und ihm
die Arbeit abnehmen. Bisher ist noch niemand gekommen, um ihn einzulassen. Beson ist betrunken - er war beim Abendessen schon angetrunken und wahrscheinlich besinnungslos, als er ins Bett fiel. Flagg hat keinen Schlüssel, sonst würde er sich nicht die Mühe machen zu klopfen. Also … eins nach dem anderen. Wie geplant. Er muss erst herein. Und dann die Stufen empor … alle dreihundert. Noch kannst du ihn schlagen.
    Er ging in sein Schlafzimmer und zog die Eisenklammern heraus, die sein grob gezimmertes Bett zusammengehalten hatten. Das Bett brach zusammen. Peter ergriff eine der Eisenstangen und trug sie zum Fenster. Er hatte die Stange genau abgemessen und wusste, dass sie breiter war als das Fenster; zwar waren die Enden rostig, aber in der Mitte schien sie immer noch stabil zu sein. Hoffentlich ist sie das auch wirklich, dachte er. Es wäre wirklich ein bitterer Scherz, wenn mein Seil halten, aber mein Anker brechen würde.
    Er sah kurz hinaus. Er konnte niemanden sehen, aber er hatte gesehen, wie drei Gestalten kurz vor Flaggs wütendem Hämmern den Platz der Nadel überquert hatten. Also hatte Dennis Freunde herbeigeholt. War einer von ihnen Ben? Peter hoffte es, aber er wagte nicht, daran zu glauben. Wer war der Dritte? Und warum der Wagen? Das waren Fragen, für die er jetzt keine Zeit hatte.
    »O ihr Hunde! Macht die Tür auf! Öffnet, im Namen des Königs! Öffnet, im Namen von FLAGG! Öffnet...«
    In der mitternächtlichen Stille konnte Peter hören, wie unten die schweren Eisenriegel zurückgeschoben wurden. Er vermutete, dass die Tür geöffnet wurde, aber das hörte er nicht. Stille …
    … und dann ein gurgelnder, erstickter Schrei.

116
    Der unglückliche Unterwachmann, der schließlich die Tür für Flagg öffnete, lebte keine vier Sekunden mehr, nachdem er den letzten Riegel zurückgeschoben hatte. Er sah ein albtraumhaftes weißes Gesicht mit glühenden roten Augen und einen schwarzen Mantel, der im allmählich ersterbenden Wind wehte wie die Schwingen eines Raben. Er schrie. Dann erfüllte ein trockenes Rauschen die Luft. Der immer noch halb betrunkene Unterwachmann sah genau in dem Augenblick auf, als Flaggs Streitaxt seinen Schädel in zwei Hälften spaltete.
    »Wenn das nächste Mal jemand im Namen des Königs befiehlt zu öffnen, dann sputet euch, und ihr werdet am anderen Morgen keine Schweinerei aufwischen müssen!«, bellte Flagg. Dann lachte er unbeherrscht, stieß die Leiche mit dem Fuß zur Seite und eilte auf die Treppe zu. Immer noch war alles in Ordnung. Er hatte rechtzeitig Wind von der Gefahr bekommen. Er wusste es.
    Er spürte es.
    Er öffnete eine Tür rechter Hand und trat in den Hauptflur, der von dem Saal wegführte, wo Anders Peyna einst Gerechtigkeit hatte walten lassen. Am Ende dieses Flurs begannen die Stufen. Er sah hinauf und grinste sein grässliches Haifischgrinsen.
    »Ich komme, Peter!«, schrie er glücklich, und seine Stimme wurde von den Wänden zurückgeworfen und hallte hinauf zu Peter, der gerade dabei war, sein dünnes
Seil an der Stange festzubinden, die er vom Bett losgebrochen hatte. »Ich komme, lieber Peter, und werde das tun, was ich schon vor langer, langer Zeit hätte tun sollen!«
    Flaggs Grinsen wurde noch breiter, und nun sah er wirklich schrecklich aus - er erinnerte an einen Dämon, der eben erst aus einem stinkenden Loch in der Erde emporgestiegen ist. Er hob das Henkersbeil, Blut des Wachmanns troff von der Schneide auf sein Gesicht und rann an seinen Wangen hinab wie Tränen.
    »Ich komme, lieber Peter, um dir den Kopf abzuhacken!«,

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