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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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wissen!«
    Weil es bald geschehen würde, das immerhin spürte er. Es würde sehr, sehr bald geschehen.
    Er fand seinen Schlüsselbund und öffnete die unterste Schublade seines Schreibtischs. Er holte ein Kästchen aus geschnitztem Eisenholz heraus und öffnete es. Daraus holte er einen Lederbeutel hervor. Er löste die Kordel des Beutels und zog behutsam einen Stein heraus, der von innen her zu glühen schien. Dieser Stein war so milchig wie das blinde Auge eines alten Mannes. Er sah aus wie ein Stück Speckstein, aber tatsächlich handelte es sich um einen Kristall - Flaggs magischen Kristall.
    Er ging durch das Zimmer, löschte die Lampen und blies die Kerzen aus. Wenig später war sein Gemach in völlige Finsternis getaucht. Ungeachtet der Dunkelheit eilte Flagg mit behänder Sicherheit umher und wich
Gegenständen aus, an denen wir uns die Schienbeine angestoßen hätten oder über die wir gestolpert wären. Dunkelheit war kein Problem für den Hofzauberer des Königs; er liebte die Dunkelheit und konnte darin sehen wie eine Katze.
    Er setzte sich und berührte den Stein. Er glitt mit den Handflächen an den Seiten entlang und ertastete die zerklüftete Oberfläche.
    »Zeig es mir«, sagte er. »Das ist mein Befehl!«
    Zuerst nichts. Dann begann der Kristall allmählich von innen her zu leuchten. Anfangs war es nur ein winziges Licht, schwach und bleich. Flagg berührte den Kristall noch einmal, diesmal mit den Fingerspitzen. Er war warm geworden.
    »Zeig mir Peter. Das ist mein Befehl. Zeig mir den Flegel, der es wagt, sich mir in den Weg zu stellen, und zeige mir, was er vorhat.«
    Das Licht wurde heller … heller … heller. Mit glitzernden Augen und zu einem grausamen Lächeln geteilten Lippen beugte sich Flagg über den Kristall. Nun hätten Peter, Ben, Dennis und Naomi ihren Traum wiedererkannt - und sie hätten den Lichtschein erkannt, welcher das Gesicht des Zauberers beleuchtete, ein Schein, der nicht von einer Kerze stammte.
    Plötzlich verschwand das milchige Glühen des Kristalls, stattdessen loderte der Stein hell auf. Nun konnte Flagg bis in seinen Kern sehen. Er riss die Augen auf … dann kniff er sie verwirrt zusammen.
    Es war die hochschwangere Sasha, die am Bett eines kleinen Jungen saß. Der kleine Junge hielt eine Schiefertafel in Händen. Darauf standen die Worte DOG und GOD.

    Ungeduldig strich Flagg mit den Händen über den Kristall, von dem jetzt Hitzewogen ausgingen.
    »Zeige mir, was ich wissen muss! Das ist mein Befehl! «
    Der Kristall wurde wieder klar.
    Es war Peter, der mit dem Puppenhaus seiner toten Mutter spielte und so tat, als würden die Bewohner von Indianern belagert … oder Drachen … oder sonst einer Narrheit. Der alte König stand in einer Ecke, sah seinem Sohn zu und wünschte, mitspielen zu dürfen …
    »Pah!«, schrie Flagg und fuhr erneut mit der Hand über den Kristall. »Warum zeigst du mir diese alten und unwichtigen Geschichten? Ich muss wissen, wie er fliehen möchte … und wann! Zeige es mir. Das ist mein Befehl! «
    Der Kristall war immer heißer geworden. Wenn er ihn nicht bald in Ruhe ließ, würde er für immer bersten, das war Flagg klar, und magische Kristalle waren nicht leicht zu beschaffen - er hatte dreißig Jahre gebraucht, um diesen hier zu finden. Aber lieber würde er ihn in eine Million Stücke zersplittern lassen, anstatt aufzugeben.
    »Das ist mein Befehl!«, wiederholte er, und zum dritten Mal löste sich der milchige Glanz des Kristalls auf. Flagg beugte sich darüber, bis die Hitze seine Augen tränen ließ.
    Er kniff sie zusammen, und dann riss er sie trotz der Hitze überrascht und zornig auf.
    Es war Peter. Peter, der sich langsam an der Seite der Nadel abseilte. Sicher war dies ein trügerischer Zauber, denn er machte zwar greifende Bewegungen mit den Händen, aber es war kein Seil zu sehen …

    Oder … doch?
    Flagg wedelte mit einer Hand vor dem Gesicht und vertrieb die Hitze einen Augenblick. Ein Seil? Nicht unbedingt ein Seil. Aber da war etwas … etwas so Feines wie eine Spinnwebe … und trotzdem trug es sein Gewicht.
    »Peter«, stieß Flagg hervor, und als er es sagte, sah die winzige Gestalt sich um.
    Flagg blies über den Kristall, und das helle, flackernde Licht erlosch. Er sah seinen Nachhall vor den Augen, während er in der Dunkelheit saß.
    Peter. Auf der Flucht. Wann? Im Kristall war es Nacht gewesen, und der Zauberer hatte gesehen, wie Schneeflocken an der winzigen Gestalt vorbeigeweht wurden, die sich an der

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