Die Augen des Drachen - Roman
verdunstet ist, Bursche!«
Der Gardist sagte nichts mehr.
Flagg zog seinen tropfenden Finger aus dem Eimer.
»Das Wasser ist schon warm«, sagte er zu Peyna. »Obwohl wir den Eimer eben erst auf den Schreibtisch gestellt haben.«
Vorsichtig führte er den kleinen Finger, an dem ein einziges Wassertröpfchen hing, über eines der Löcher.
»Gebt gut acht!«, sagte Flagg scharf, und für Peter klang er in diesem Augenblick wie ein billiger Gaukler, der dabei ist, eine monströse Täuschung durchzuführen. Aber Peyna beugte sich dicht darüber. Die Leibgardisten reckten die Hälse. Der Wassertropfen hing einen Augenblick an Flaggs Finger, und Peters Zimmer spiegelte sich in verkleinerter Form darin. Er hing … wurde länger … und fiel in das Loch.
Es folgte ein beißendes Zischen, als würde Fett auf eine heiße Eisenplatte tropfen. Ein winziger Dampfgeysir schoss aus dem Loch hervor … aber kurz davor sah Peyna ganz deutlich einen Hauch von Grün aufblitzen wie die Augen einer Katze. In diesem Augenblick war Peters Schicksal besiegelt.
»Drachensand, bei den Göttern!«, flüsterte Flagg heiser. »Um Himmels willen, atmet diesen Dampf nicht ein!«
Anders Peynas Mut war so berühmt wie seine Härte, aber jetzt hatte er Angst. Für ihn hatte dieses kurze Aufleuchten von Grün unsagbar böse ausgesehen.
»Lösch sofort die anderen beiden«, befahl er heiser. »Gleich!«
»Ich sagte doch schon«, meinte Flagg, während er gelassen den kleinen Finger ein zweites Mal eintauchte und den Obsidian anstarrte. »Man kann sie nicht löschen. Nun, angeblich gibt es eine Möglichkeit, aber nur eine. Sie wird euch nicht gefallen. Aber wir können sie aufhalten und uns dann das Zeug vom Hals schaffen. Glaube ich.«
Behutsam ließ er Wasser in die beiden anderen Löcher
tropfen. Jedes Mal zuckte ein grüner Blitz auf, gefolgt von einem winzigen Dampfstrahl.
»Ich glaube, wir sind alle noch einmal davongekommen«, sagte Flagg. Einer der Leibgardisten seufzte erleichtert. »Bringt mir Handschuhe … oder gefaltete Tücher … irgendetwas, womit ich diesen Stein anfassen kann. Er ist heiß wie der Zorn, und die Wassertropfen werden binnen kürzester Zeit verdampft sein.«
Rasch brachte man ihm zwei Topflappen aus dem Schrank des Dieners. Mit ihnen ergriff Flagg den Obsidian. Er hob ihn, sorgfältig darauf bedacht, ihn waagerecht zu halten, dann ließ er ihn in den Eimer fallen. Als der Obsidian auf den Grund sank, sahen alle ganz deutlich, wie das Wasser einen Augenblick hellgrün wurde.
»Und nun«, erklärte Flagg wichtigtuerisch, »ist das erledigt. Einer der Soldaten muss den Eimer aus dem Schloss hinausschaffen, zur Pumpe beim Großen Alten Baum in der Mitte des Burgfrieds. Dort müsst ihr einen großen Zuber mit Wasser füllen und den Eimer hineinstellen. Der Zuber muss sodann in die Mitte des Johanna-Sees gerudert und dort versenkt werden. In hunderttausend Jahren wird der Drachensand den See wahrscheinlich aufgeheizt haben, aber darüber sollen sich die in jener Zeit - so sie je kommen wird - den Kopf zerbrechen, würde ich sagen.«
Peyna zögerte einen Augenblick und biss sich auf die Lippen, ein ungewöhnliches Zeichen der Unentschlossenheit, doch dann sagte er: »Du, du und du. Tut, was er sagt.«
Der Eimer wurde entfernt. Die Gardesoldaten trugen ihn, als hielten sie eine Bombe in Händen. Flagg war amüsiert, denn dies alles war größtenteils Zauberermummenschanz,
wie Peter kurz vermutet hatte. Die Wassertropfen, die er in die Löcher fallen ließ, hatten nicht ausgereicht, die ätzende Wirkung des Sands auszuschalten - jedenfalls nicht für lange -, aber er wusste, dass das Wasser im Eimer durchaus ausreichte. Weniger Flüssigkeit hätte für mehr Sand gereicht … ein Glas Wein zum Beispiel. Aber sollten sie getrost glauben, was sie wollten. Mit der Zeit würde ihre Wut auf Peter umso größer werden.
Als die Wachen gegangen waren, wandte sich Peyna an Flagg. »Ihr sagtet, es existiere eine Möglichkeit, die Wirkung des Drachensands zu neutralisieren.«
»Ja - die Legenden besagen, wenn man ihn mit einem Lebewesen in Berührung bringt, dann wird dieses Lebewesen unter Schmerzen verbrennen, bis es tot ist … und wenn es vorbei ist - tot -, dann ist auch die Macht des Drachensands tot. Ich hatte das ausprobieren wollen, aber bevor ich dazu kam, verschwand meine Probe.«
Peyna starrte ihn an, er war weiß um die Lippen herum. »Und an was für einem Lebewesen wolltet Ihr diese verfluchte Substanz
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