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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Chancen für Peters Krönung zunehmend geringer wurden.
    »Nein«, sagte Flagg. »Das kann ich mir auch nicht vorstellen.« Er sah zu Peter und sagte: »Weshalb habt Ihr mich rufen lassen, mein König?«
    »Nennt ihn nicht so!«, explodierte Peyna unwillkürlich schockiert. Flagg sah den Schock in Peynas Gesicht, und wenngleich er den Grund sehr genau kannte, bemühte er sich, verwirrt dreinzuschauen. Er war zufrieden. Der Wurm des Argwohns fraß sich bereits zum kalten Herzen des Obersten Richters durch. Gut.
    Peter wandte das bleiche Gesicht von den beiden ab und sah über die Stadt hinaus, wobei er sich erneut bemühte, seiner Gefühle Herr zu werden. Er hatte die Finger fest ineinander verschränkt. Die Knöchel traten weiß hervor. In diesem Augenblick sah er viel älter als sechzehn aus.
    »Seht Ihr das Kästchen auf dem Schreibtisch?«, fragte Peyna.
    »Ja, Oberster Richter«, sagte Flagg mit seiner steifsten, formellsten Stimme.
    »Darin befindet sich ein Päckchen, dessen Papier langsam zu schwelen scheint. In dem Papier wiederum befindet sich etwas, was wie Sandkörnchen aussieht. Ich möchte, dass Ihr sie untersucht und mir verratet, worum es sich handelt. Ich rate Euch dringend, nichts anzufassen. Ich befürchte, die Substanz in dem Päckchen könnte König Rolands Tod verursacht haben.«
    Flagg gestattete sich, besorgt dreinzusehen. Aber um die Wahrheit zu sagen, er fühlte sich ganz ausgezeichnet. Wenn er eine Rolle spielte, fühlte er sich immer so. Das Schauspielern machte ihm Spaß.

    Er hob das Päckchen mit der Pinzette auf. Er sah hinein. Sein Blick wurde schärfer.
    »Ich brauche ein Stück Obsidian«, sagte er. »Ich will es sofort haben.«
    »Ich habe ein Stück in meinem Schreibtisch«, sagte Peter matt und holte es hervor. Es war nicht so groß wie das, welches Flagg benutzt und dann weggeworfen hatte, aber es war dick. Er gab es einem Mann der Leibgarde, der es Flagg weiterreichte. Der Magier hielt es ins Licht und runzelte ein wenig die Stirn … aber in seinem Herzen hüpfte ein kleiner Mann aufgeregt auf und ab und schlug Räder und Purzelbäume. Der Obsidian ähnelte seinem eigenen sehr, aber eine Ecke war abgebrochen und kantig. Ah, die Götter lächelten auf ihn herab! Wahrhaftig, wahrhaftig, wahrhaftig, das taten sie!
    »Ich habe ihn vor einem oder zwei Jahren fallen lassen«, sagte Peter, dem Flaggs Interesse nicht entgangen war. Er wusste nicht - und Peyna auch noch nicht -, dass er gerade der Mauer, die um ihn herum aufgeschichtet wurde, eine weitere Schicht Ziegelsteine hinzugefügt hatte. »Die Hälfte, die Ihr haltet, landete auf meinem Teppich, was den Aufprall dämpfte. Die andere Hälfte landete auf dem Steinboden und zersprang in Dutzende Scherben. Obsidian ist hart, aber sehr spröde.«
    »Tatsächlich, mein Lord?«, sagte Flagg ernst. »Ich habe noch niemals einen solchen Stein gesehen, obschon ich natürlich davon gehört habe.«
    Er legte den Obsidian auf Peters Schreibtisch, kippte das Päckchen darüber und ließ die drei Sandkörner darauffallen. Nach einem Augenblick stiegen kleine Rauchranken von dem Obsidian auf. Alle Anwesenden konnten sehen, wie sie sich in die Pockennarben fraßen,
welche sie auf dem härtesten bekannten Stein der Welt hinterlassen hatten. Die Wachen flüsterten bei dem Anblick unbehaglich.
    »Schweigt!«, brüllte Peyna und wirbelte zu ihnen herum. Die Gardesoldaten wichen mit blassen, erschrockenen Gesichtern zurück. Dies kam ihnen mehr und mehr wie Hexenwerk vor.
    »Ich glaube, ich weiß, was diese Körner sind und wie ich meine Vermutung erproben kann«, sagte Flagg, die Worte hervorsprudelnd. »Aber wenn ich recht habe, muss der Test so schnell wie möglich durchgeführt werden.«
    »Warum?«, wollte Peyna wissen.
    »Ich glaube, diese Körnchen sind Drachensand«, sagte Flagg. »Ich hatte einst eine kleine Menge davon, aber leider verschwand sie, bevor ich sie eingehender studieren konnte. Sie könnte gestohlen worden sein.«
    Flagg entging nicht, wie Peyna bei diesen Worten zu Peter blickte.
    »Mir ist seither niemals recht wohl bei dem Gedanken gewesen«, fuhr er fort, »denn angeblich handelt es sich um eine der tödlichsten Substanzen überhaupt. Ich hatte keine Gelegenheit, das nachzuprüfen, daher zweifelte ich bisher, aber hier finde ich vieles von dem, was ich gehört habe, bestätigt.«
    Flagg deutete auf den Obsidian. Die Löcher, wo die drei Sandkörner gelegen hatten, waren inzwischen jedes fast einen Zoll tief - Rauch stieg

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