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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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von jedem wie von einem winzigen Lagerfeuer empor. Flagg schätzte, dass sich jedes Körnchen bereits halb durch den Stein hindurchgefressen hatte.
    »Diese drei Körnchen fressen sich schnell durch den
härtesten uns bekannten Stein«, sagte er. »Drachensand soll angeblich so ätzend sein, dass er sich durch jede feste Substanz hindurchfrisst - durch jede! Und er erzeugt eine schreckliche Hitze. Du! Soldat!«
    Flagg deutete auf einen aus der Leibgarde. Er trat nach vorn und schien nicht besonders glücklich zu sein, dass er ausgewählt worden war.
    »Berühre die Seite des Steins«, sagte Flagg, und als der Mann zögernd die Hand ausstreckte, fügte er hinzu: »Nur die Seite! Lass die Finger unbedingt von den Löchern!«
    Der Soldat berührte den Briefbeschwerer und zog keuchend die Hand zurück. Er steckte die Finger in den Mund, aber Peyna hatte schon gesehen, wie sich Brandblasen darauf bildeten.
    »Ich habe gehört, dass Obsidian Wärme nur langsam leitet«, sagte Flagg. »Aber dieses Stück ist so heiß wie ein Ofen … und das von drei Körnchen Sand, die auf dem Halbmond Eures kleinen Fingernagels mehr als genug Platz finden würden! Berührt den Schreibtisch des Prinzen, Oberster Richter!«
    Peyna tat es. Die Hitze unter seiner Hand beunruhigte und erschreckte ihn. Das schwere Holz würde bald anfangen, Blasen zu werfen und zu verkohlen.
    »Wir müssen rasch handeln«, sagte Flagg. »Bald wird der Schreibtisch selbst Feuer fangen. Wenn wir den Rauch einatmen, werden wir alle binnen Tagen sterben - vorausgesetzt natürlich, die Geschichten sind zutreffend, die ich gehört habe. Um ganz sicherzugehen, noch einen Test...«
    Als er das gesagt hatte, sahen die Gardesoldaten noch unbehaglicher drein.

    »Nun gut«, sagte Peyna. »Was ist das für ein Test? Schnell, Mann!« Er verabscheute Flagg jetzt mehr denn je, und er war nun mehr denn je der Meinung, dass man ihn auf gar keinen Fall unterschätzen durfte. Vor fünf Minuten hatte er ihn noch zum Hofniemand degradieren wollen, aber nun sah es ganz so aus, als hingen ihre Leben - und Peynas Anklage gegen Peter - von ihm ab.
    »Ich würde vorschlagen, einen Eimer mit Wasser zu füllen«, sagte Flagg. Er sprach jetzt schneller als bisher. Seine dunklen Augen funkelten.
    Die Gardesoldaten und Peyna betrachteten die drei winzigen Löcher im Obsidian und die Rauchwölkchen mit der Faszination von Vögeln, die von einem Nest voll Pythonschlangen hypnotisiert werden. Wie tief hatten sie sich schon in den Obsidian gefressen? Wie nahe waren sie dem Holz? Das war unmöglich zu sagen. Sogar Peter starrte gebannt, wenngleich der Ausdruck von Müdigkeit, Sorge und Verwirrung nicht von seinem Gesicht wich.
    »Wasser aus der Pumpe des Prinzen!«, brüllte Flagg einen der Soldaten an. »Wir brauchen es in einem Eimer oder in einem tiefen Topf. Auf der Stelle! Sofort!«
    Der Soldat sah Peyna an.
    »Gehorche«, sagte Peyna und bemühte sich, nicht ängstlich zu klingen - aber er hatte Angst, und das wusste Flagg.
    Der Soldat entfernte sich. Sekunden später hörten sie, wie Wasser in einen Eimer gepumpt wurde, den er im Schrank des Dieners gefunden hatte.
    Flagg ergriff wieder das Wort.
    »Ich schlage vor, ich tauche meinen Finger in den Eimer
und lasse einen Tropfen Wasser in eines der Löcher fallen«, sagte er. »Wir müssen genau aufpassen, Oberster Richter. Wir müssen sehen, ob das Wasser sich in dem Loch einen Augenblick lang grün verfärbt. Das ist ein sicheres Zeichen.«
    »Und dann?«, fragte Peyna angespannt.
    Der Soldat kam zurück. Flagg nahm den Eimer und stellte ihn auf den Schreibtisch.
    »Dann werde ich sehr vorsichtig auch in die beiden anderen Löcher Wasser tropfen lassen«, sagte er. Er sprach mit Bedacht, aber seine normalerweise fahlen Wangen waren gerötet. »Wasser kann den Drachensand nicht aufhalten, sagt man, aber es verlangsamt ihn.« Das machte zwar alles ein wenig gefährlicher, als es wirklich war, aber Flagg wollte ihnen Angst machen.
    »Warum nicht einfach darüberschütten?«, platzte einer der Gardisten heraus.
    Peyna beantwortete diese Vorwitzigkeit mit einem fürchterlichen Blick, aber Flagg beantwortete die Frage gelassen, während er den kleinen Finger in das Wasser tauchte.
    »Soll ich etwa die drei Körnchen aus den Löchern herausspülen, die sich in den Stein gefressen haben, damit sie irgendwo auf dem Schreibtisch landen?«, fragte er beinahe jovial. »Wir könnten dich hier zurücklassen, um das Feuer zu löschen, wenn das Wasser

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