Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
seinen eigenen Vater ermordet hat, um auf den Thron zu kommen. Ich denke, das wird zu Revolten und Bürgerkrieg führen, und zwar bevor viel Zeit verstrichen ist.
    Was mich selbst anbelangt, ich würde zurücktreten und nach Westen aufbrechen. Ich bin zu alt für einen Neubeginn, aber ich müsste es dennoch versuchen. Mein Leben ist das Gesetz, und ich könnte mich vor keinem König verneigen, der sich in einer so schwerwiegenden Frage diesem Gesetz nicht gebeugt hat.«
    Daraufhin legte sich Schweigen über den Saal, ein Schweigen, welches sehr lange anzudauern schien. Peter saß mit gesenktem Kopf da und presste die Handballen
gegen die Augen. Alle warteten und sahen ihn an. Nun spürte selbst Flagg einen dünnen Schweißfilm auf seiner Stirn.
    Schließlich hob Peter den Kopf und nahm die Hände von den Augen.
    »Nun gut«, sagte er. »Dies ist mein Befehl als König. Ich werde auf die Krone verzichten, bis bewiesen ist, dass ich unschuldig an der Ermordung meines Vaters bin. Ihr, Peyna, werdet während dieser Zeit Delain als Kanzler dienen, solange es kein königliches Staatsoberhaupt gibt. Ich wünsche, dass die Verhandlung so schnell wie möglich stattfindet - morgen schon, wenn es sich machen lässt. Ich werde mich dem Urteil des Gerichts beugen.
    Aber Ihr werdet mich nicht verurteilen.«
    Sie alle blinzelten und setzten sich aufrechter hin, als sie diesen trockenen Tonfall der Autorität hörten, aber Yosef von den Stallungen wäre nicht überrascht gewesen; er hatte diesen Ton bereits in der Stimme des Jungen gehört, als Peter noch ein Knabe gewesen war.
    »Das wird einer dieser vier tun«, fuhr Peter fort. »Ich werde mich nicht von dem Mann richten lassen, der an meiner Stelle die Macht in Händen hält … ein Mann, der mit seiner ganzen Haltung ausdrückt, dass er mich schon jetzt dieses schrecklichen Verbrechens für schuldig hält.«
    Peyna spürte, wie er errötete.
    »Einer dieser vier«, wiederholte Peter und wandte sich an die Großen Anwälte. »Man soll vier Steine, drei schwarze und einen weißen, in ein Gefäß legen. Wer den weißen Stein zieht, soll bei meiner Verhandlung den Vorsitz führen. Seid Ihr damit einverstanden?«

    »Mein Lord, das bin ich«, sagte Peyna langsam und ärgerte sich darüber, dass seine Errötung auch jetzt noch nicht weichen wollte.
    Wieder musste Flagg eine Hand zum Mund führen, damit niemand ihn lächeln sah. Und das, mein kleiner, verlorener Lord, ist der einzige Befehl, den du jemals als König von Delain geben wirst, dachte er.

43
    Die Versammlung, die um drei begonnen hatte, war nach einer Viertelstunde schon wieder beendet. Senate und Parlamente brauchen oft Tage und Monate, um eine einzige Frage zu klären - und nicht selten wird eine Frage trotz allen Debattierens überhaupt nicht geklärt -, aber wenn sich große Dinge ereignen, dann geschieht es in aller Regel sehr schnell. Und drei Stunden später, als es dunkel wurde, ereignete sich dann etwas, was Peter zeigte - so verrückt es auch war -, dass man ihn des schrecklichen Verbrechens schuldig sprechen würde.
    Er wurde von ernsten, schweigenden Soldaten in seine Gemächer zurückgeführt. Seine Mahlzeiten, sagte Peyna, würde man ihm bringen lassen.
    Ein grobschlächtiger Leibgardist mit langen Bartstoppeln im Gesicht brachte ihm das Abendessen. Er hielt ein Tablett in der Hand. Darauf standen ein Glas Milch und eine große Schüssel dampfendes Stew, ein sämiger Fleisch-Eintopf. Peter stand auf, als der Gardist eintrat. Er griff nach dem Tablett.
    »Noch nicht, mein Lord«, sagte der Gardist mit unverhohlen höhnischer Stimme. »Ich glaube, es muss noch ein wenig gewürzt werden.« Damit spuckte er in das Stew. Dann grinste er und entblößte dabei zwei Reihen schlechter und lückenhafter Zähne, gleich einem heruntergekommenen Lattenzaun, und hielt Peter das Tablett hin. »Hier.«

    Peter machte keine Bewegung, es zu nehmen. Er war vollkommen verblüfft.
    »Warum hast du das getan? Warum hast du in mein Stew gespuckt?«
    »Verdient ein Kind, das seinen Vater ermordet, denn etwas Besseres, mein Lord? «
    »Nein. Aber jemand, der eines solchen Verbrechens noch nicht einmal angeklagt worden ist, schon«, sagte Peter. »Nimm das weg und bring mir ein anderes Tablett. Bring es innerhalb von fünfzehn Minuten, andernfalls wirst du heute noch tiefer als Flagg in den Kerkern schlafen.«
    Das höhnische Grinsen des Gardisten flackerte ein wenig, doch dann war es wieder da. »Ich glaube nicht«, sagte er. Er

Weitere Kostenlose Bücher